Jahresbericht 2012 | 2013: Medizin. Menschen. Momente.
ein Bereich sehr intensiver Strahlung, der kleinste Schnitte und Bohrungen erzeugen kann. Das „Schnitt- muster“ wurde anfangs durch die Anordnung der Teil- chen auf dem Werkstoff vorgegeben. „Je nachdem, wie die Partikel auf der Ober fl äche gruppiert waren, konnten wir unterschiedliche Strukturen schreiben – zum Beispiel Linien und Ringe“, erklärt Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Michael Schmidt. Weil ein fl exibles Bearbeiten– sozusagen eine „Freihand-Beschriftung“ des Materials – auf diese Weise allerdings nicht möglich war, nahmen die Forscher im nächsten Schritt eine optische Pinzette zu Hilfe: Dabei werden die winzigen Partikel von einem Laserstrahl „in die Zange genommen“ und dann frei über das Substrat bewegt. Die Pulse eines zweiten Lichtstrahls strukturieren schließlich die Ober fl äche. Ob sich dieses Verfahren ebenso gut an und in lebenden Zellkulturen umsetzen lässt, wollen die Erlanger Wissenschaftler in der aktuellen zweiten Projektphase heraus fi nden. Operieren im Inneren der Zelle Erste nanochirurgische Versuche an biologischem Material wurden nach der Jahrtausendwende von verschiedenen Arbeitsgruppen weltweit unternommen: Die Forscher „operierten“ Chromosomen, ließen Mito- chondrien „explodieren“, entfernten Chloroplasten und schleusten DNS auf verschiedenen Wegen in lebende Zellen ein. Bei diesen Vorarbeiten zeigte sich auch, dass eine Transfektion – also das Einbringen von Fremd-DNS oder -RNS ins Zytoplasma – am besten gelingt, wenn die Zellmembran zuvor mit einem Laser perforiert wurde. „Für einen Stoffaustausch dürfen die Öffnungen nicht zu klein sein, aber auch nicht zu groß – sonst stirbt die Zelle ab“, erklärt Florian Stelzle. Die kleinstmöglichen Poren lassen sich mit einem gepulsten Laserstrahl erzeugen. An menschlichen Bindegewebszellen wollen die MKG-Chirurgen und die Laserspezialisten unter- suchen, „ob es problemlos gelingt, zum Beispiel RNS, virale Partikel oder Flüssigkeiten durch die Zellmembran diffundieren zu lassen“, sagt Projektleiter Stelzle. Ob tatsächlich ein Austausch zwischen Zytoplasma und Umgebungsmedium statt fi ndet, soll ein fl uoreszierender Farbstoff zeigen. „Wir sind uns sicher, dass das Aufschneiden der Zellmembran gut funktionieren wird. Interessant ist jetzt vor allem die Frage, wie viele Zellen den Eingriff unbeschadet überstehen und wie wir diese Überlebensrate erhöhen können“, ergänzt Prof. Schmidt. Dazu experimentieren die Wissenschaftler mit ver- schiedenen Schnittgeometrien. „So wie der Chirurg das Skalpell über den Bauch des Patienten führt, können wir mit dem Laser die Zellmembran zum Beispiel T-förmig aufschneiden und anschließend die Vitalität der Zelle beobachten“, beschreibt PD Stelzle das Vorgehen. Am Lehrstuhl für Photonische Technologien stehen für die nanochirurgischen Versuche Piko- und Femto- sekundenlaser zur Verfügung. Deren Lichtpulse sind 10 -12 beziehungsweise 10 -15 Sekunden kurz. In dieser Zeit legt das Licht einen Weg von 0,3 Millimetern, beim Femtosekundenlaser sogar nur 0,3 Mikrometer zurück. Mit den je 400.000 Euro teuren Geräten, die am Lehr- stuhl sonst unter anderem Ober fl ächen bearbeiten und Gläser verschweißen, sollen künftig einzelne Zellen minimalinvasiv und mit dem geringsten thermischen Ein fl uss „operiert“ werden. Um in einer vorgegebenen Zeit eine möglichst große Fläche mit dem Laser strukturieren zu können, wollen die Forscher mit Unter- stützung eines speziellen Strahlteilers mehrere optische Pinzetten erzeugen, die viele Nanopartikel gleichzeitig in Position bringen. Zusätzlich beschleunigt wird das Verfahren durch eine spezielle Bildverarbeitungssoft- ware, die die Zelllösung unter dem optischen Mikroskop nach diesen Teilchen absucht. „Da die Partikel fast perfekt kreisrund sind, werden sie zuverlässig erkannt und können dann automatisch von der optischen Pinzette eingefangen werden“, sagt Prof. Schmidt. Sobald das Öffnen der Zelle zuverlässig gelingt, wollen die Wissenschaftler 50 bis 250 Nanometer kleine metallische Teilchen ins Innere einschleusen, um dort einzelne Organellen gezielt zu beein fl ussen. „Bisher PD Stelzle und Prof. Schmidt arbeiten seit Jahren zusammen. Sie er- forschen, wie Bindegewebszellen auf Laserlicht reagieren. | JAHRESBERICHT 2012/2013 14
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