Jahresbericht 2012 | 2013: Medizin. Menschen. Momente.

Im Juli 2008 ertastet Sandra G. einen Knoten in ihrer Brust. Wenige Tage später erhält sie die Diagnose: Krebs. „Ich war völlig fassungslos. Dass ich Brustkrebs hatte, war für mich bis dahin ausgeschlossen. Ich gehörte zu keiner Risikogruppe“, sagt die heute 33-Jährige. Am Uni-Klinikum Erlangen verordnen ihr die Ärzte 8 Chemotherapie- und 28 Bestrahlungseinheiten – eine Behandlung, nach der die junge Frau wahrschein- lich keine Kinder mehr bekommen würde. Doch es gibt eine Möglichkeit, ihre Fruchtbarkeit zu erhalten: die Entnahme von Eierstockgewebe, das tiefgefroren und nach der Krebstherapie wieder transplantiert wird. Obwohl ihr niemand einen Erfolg garantieren kann, entscheidet sich Sandra G. für den Eingriff: „Diese Option war für mich ein Strohhalm, an dem ich mich festhalten konnte.“ Tiefgekühlte Fruchtbarkeitsreserve Durch einen kleinen Schnitt in der Bauchdecke entnahmen die Spezialisten der Frauenklinik (Direktor: Prof. Dr. Matthias W. Beckmann) das Gewebe. In spezielle Röhrchen gefüllt, wurden die Proben an- schließend in –196 °C kaltem, fl üssigem Stickstoff versenkt. Das Ovarialgewebe kann dank dieser Kryo- konservierung prinzipiell unendlich lange aufbewahrt werden, ohne Schaden zu nehmen. „Im gefrorenen Zustand altert es nicht – und beim Auftauen ist es in genau demselben Zustand wie bei der Entnahme“, erklärt Prof. Dr. Ralf Dittrich, wissenschaftlicher Leiter der Reproduktionsmedizin am Uni-Klinikum Erlangen. Für Sandra G. bestätigte sich nach der Chemotherapie ihre Befürchtung: Sie war tatsächlich unfruchtbar, die Eierstöcke ohne Funktion. Im August 2011 wurden deshalb ihre Gewebeproben langsam aufgetaut und in die Beckenwand eingep fl anzt. „Danach konnten wir eine hormonelle Aktivität und ein regelrechtes Follikel- wachstum feststellen“, sagt Ralf Dittrich. Die Östrogen- werte stiegen wieder an – Sandra G. wurde auf ganz natürlichem Weg schwanger. Die folgenden neun Monate verliefen komplikationslos. „Ich ging regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung. Auf den Ultraschallauf- nahmen in der Frauenklinik konnte ich einen ersten Blick auf mein Baby werfen – und anfangs gar nicht glauben, dass das Bild auf dem Monitor mein Kind ist. Ich war unendlich dankbar“, berichtet die glückliche Mutter. Am 26. August 2012 brachte Sandra G. ihre Tochter Isabel zur Welt. Das doppelte Glück war perfekt – der Krebs besiegt und das Wunschkind endlich da. Durch eine Chemotherapie wird die an Brustkrebs erkrankte Sandra G. unfruchtbar. Der Kinderwunsch der jungen Frau erfüllt sich trotzdem–weil ihr vor der Krebsbehandlung entnommenes Eierstockgewebe nachträglich wieder eingep fl anzt wurde. DOPPELTES GLÜCK Im IVF-Labor der Frauenklinik werden kleine Gewebestückchen aus dem Eierstock in kältebeständige Kryoröhrchen gefüllt und anschließend eingefroren. UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN | 21

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