Jahresbericht 2012 | 2013: Medizin. Menschen. Momente.
geben, die von Älteren zur Welt gebracht werden, und auf der anderen Seite weniger junge Mütter“, vermutet der Naturwissenschaftler. Bereits ab einem Alter von 25 Jahren nimmt die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, signi fi kant ab; die 35 markiert einen weiteren deutlichen Einbruch der Fruchtbarkeit. Dank des social freezing können sich auch Frauen jenseits der 30 oder gar 40 ihren Kinderwunsch mit hoher Wahrscheinlich- keit noch erfüllen. Die absolute Obergrenze liege laut Prof. Dittrich allerdings bei 50 Jahren: „Ab dann gibt es ein wesentlich höheres Schwangerschaftsrisiko.“ In jedem Fall muss die Patientin – ob krebskrank oder gesund – die Kosten des laparoskopischen Eingriffs, der Kryokonservierung und der anschließenden Einlagerung des Gewebes selbst tragen. Vom Retortenbaby zur Routine „Noch vor zehn Jahren hieß es, eine Retransplantation würde nie klappen“, erinnert sich Ralf Dittrich. „Die Grundlagenforschung begann sehr früh und dauerte sehr lange.“ Zwischen den ersten Gewebever- p fl anzungen, die Erlanger Forscher an den Eierstöcken von Ratten vornahmen, und der ersten Transplantation von humanem Ovarialgewebe 2007 liegen fast 20 Jahre. Und auch wenn sich die Methode genau genommen noch immer in einem experimentellen Stadium be fi ndet, häuft sich doch die Zahl der Geburten: 21 sind es inzwischen weltweit. Die Anfänge von damals sind heute Routine für Fort- p fl anzungsmediziner. Als im April 1982 Deutschlands erstes Retortenbaby in der Frauenklinik des Uni-Klinikums Erlangen geborenwurde, galt das als Sensation. Außerhalb des Mutterleibs im Reagenzglas gezeugt, war der kleine Junge ein Medienstar – gleichzeitig entfachte die Geburt von Oliver heftige Kritik und Widerstand. Im vergangenen Jahr wurde das einstige Retortenbaby 30 Jahre alt. Und zur ersten In-vitro-Fertilisation (IVF) der Bundesrepublik gesellen sich mittlerweile jährlich Tausende Kinder, die mithilfe reproduktionsmedizinischer Verfahren zur Welt kommen. Allein die Spezialisten des Uni-Klinikums führen pro Jahr 200 künstliche Befruchtungen durch. Unterdessen denkt die Arbeitsgruppe von Prof. Dittrich schon wieder in die Zukunft. In Zusammenarbeit mit der Nephropathologischen Abteilung (Leiterin: Prof. Dr. Kerstin U. Amann) wollen die Wissenschaftler die Nieren von Ratten kryokonservieren und später wieder einp fl anzen. „Die Natur zeigt, dass es machbar sein muss, ganze Organe einzufrieren, wenn wir die Zellen mit einem Gefrierschutzmittel überlagern. Der kanadische Waldfrosch zum Beispiel kann bei Minus- graden ganz ohne Herzschlag, Atmung und Blut fl uss überleben“, sagt Ralf Dittrich. Unter Umständen dauere es wieder 20 Jahre, bis derartige Versuche zur medizinischen Praxis gehören. „Doch dann könnten sie unter anderem die Transplantationsmedizin völlig revolutionieren.“ Ein Zukunftsszenario – das vielleicht irgendwann so normal sein könnte, wie es die Retrans- plantation von Gewebe und Eizellen schon heute ist. ■ fm Kurz vor der Entlassung führt der behandelnde Arzt Dr. Thomas Hildebrandt ein abschließendes Gespräch mit Sandra G. und ihrem Freund Andreas S. Das OP-Team – Prof. Beckmann, Dr. Alexander Hein und OP-P fl eger Thomas Fischer (von rechts) – retransplantiert das Gewebe. UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN | 23
RkJQdWJsaXNoZXIy ODIyMTAw