Jahresbericht 2012 | 2013: Medizin. Menschen. Momente.

Toxikologie der FAU Erlangen-Nürnberg. Er nimmt die Gewebeproben unter die Lupe und sucht nach genetischen Markern. Lassen sich tumorspezi fi sche Charakteristika bestimmen? Liegt bei mehreren Krank- heitsfällen die gleiche Genmutation vor? Mit der Beantwortung dieser Fragen könnten die Wissenschaftler Risikofamilien de fi nieren. So wäre es Ärzten möglich, frühzeitig Vorsorgeuntersuchungen durchzuführen, da- durch die Behandlungsaussichten zu verbessern und die optimale Therapie einzusetzen – das ist allerdings noch eine Vision. „Eine gewisse Frustrationstoleranz und ein langer Atem gehören schon dazu. Aber ich bringe einen gesunden Optimismus mit“, sagt Oliver Zolk mit dem Leuchten eines wahren Wissenschaftlers in den Augen. „Ohne das ausgedehnte klinische und wissenschaft- liche Netzwerk des STEP-Registers und eine zentrale Biodatenbank sind molekularbiologische Unter- suchungen an seltenen Tumoren gar nicht denkbar.“ Das Erlanger Team kooperiert bundesweit und sogar darüber hinaus mit vielen weiteren Experten. Die 2008 gegründete europäische Arbeitsgruppe für seltene pädiatrische Tumoren „European Pediatric Rare Tumor Group (EXPERT)“ brachte 2012 die weltweit erste Buch- veröffentlichung zum Thema heraus: In „Rare Tumors in Children and Adolescents“ werden nicht nur die neu- esten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Forscher- gruppen dargestellt, sondern auch erste Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie gegeben. „Dass wir das Register so grundlegend aufbauen können, verdanken wir auch der Unterstützung durch den Direktor der Kinderklinik, Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Rascher, der Deut- schen Kinderkrebsstiftung und dem Förderverein des Tumorzentrums Erlangen-Nürnberg“, betont Ines Brecht. Dieses internationale und interdisziplinäre Netzwerk ist nicht nur aufgrund der Seltenheit so wichtig, sondern auch, weil es sich bei vielen dieser seltenen kindlichen Tumoren um Erkrankungen handelt, die sonst nur im Erwachsenenalter vorkommen. „Trotzdem können wir nicht davon ausgehen, dass wir Kinder und Erwachsene gleich behandeln können“, sagt Ines Brecht. Karzinome beispielsweise entstehen im Erwachsenenalter über Jahre hinweg durch Umweltein fl üsse; erste Analysen bei kindlichen Karzinomen hingegen geben Hinweise darauf, dass erbliche Tumorsyndrome – also Genmutationen, deren Träger ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Tumoren haben – eine entscheidende Rolle spielen. „Indem wir seltene Tumoren bei Kindern und das Wissen über erbliche Ursachen in das Bewusstsein der Ärzte und der Bevölkerung rücken, kann es gelingen, durch Vorsorgemaßnahmen in Risikofamilien entsprechende Erkrankungen früher festzustellen und besser zu behan- deln“, erläutert Ines Brecht ein Ziel ihrer Arbeit. Des- wegen setzen die Kinderärztin und ihr Team auf breite Unterstützung aus den Reihen ihrer Kollegen: Freunde fi nden – Erfahrungen teilen – Therapien optimieren. Nachsorge ist Vorsorge Während beim Thema Krebs oft die Behandlung an erster Stelle steht und Vorsorgemaßnahmen erst in den vergangenen Jahren zunehmend ins Bewusstsein der breiten Bevölkerung gerückt sind, wird die Nachsorge häu fi g noch stiefmütterlich behandelt. „Dabei gehört der Krebs ab der Diagnose zum Leben des Patienten dazu“, sagt Prof. Dr. Thorsten Langer, Oberarzt der Kinderklinik des Uni-Klinikums Erlangen. „Man darf sein Leben natürlich nicht von der Krankheit dominieren lassen, vor allem nicht, wenn man bereits als geheilt gilt. Aber vollständig vergessen kann man sie nicht – und soll man sie auch nicht!“ Prof. Langer leitet die GPOH- Studie „Late Effects Surveillance System“ (LESS): Seine Arbeitsgruppe dokumentiert und analysiert die Spät- folgen von Krebsbehandlungen im Kindes- und Jugend- alter und baut ein deutschlandweites Nachsorgenetz- werk für ehemalige Patienten auf. „Das ist ein äußerst spannendes Forschungsfeld und wir sind ganz vorne mit dabei“, erklärt Thorsten Langer, „denn es geht durch eine neue Zusammenarbeit in Europa jetzt erst so richtig los: Wir bekommen so langsam einen Überblick, welche Spätfolgen bei ehemaligen Krebspatienten PD Zolk geht für beide Arbeitsgruppen den Genen auf die Spur, untersucht Gewebeproben und fahndet nach spezi fi schen Markern. | JAHRESBERICHT 2012/2013 34

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