Jahresbericht 2012 | 2013: Medizin. Menschen. Momente.
Sie sind eine Schicksalsgemeinschaft – 24 Stunden am Tag, Monat für Monat, jahraus, jahrein. Sie alle eint das Warten auf ein fremdes, gesundes Herz – die Hoffnung auf ein neues Leben. Medikamente, Bypass- und Herz- klappenoperationen versprechen bei den High-Urgent- Patienten der Herzchirurgischen Klinik keine Heilung mehr. Ihre letzte Chance ist ein Spenderorgan. Weil ein solches für sie überlebenswichtig ist, sind sie auf der Warteliste für Herztransplantationen HU-gelistet: high urgent – höchst dringend zu transplantieren. Josef Michl – verheiratet, zwei Kinder – liegt seit November 2012 auf der Allgemeinstation B5. Begonnen hatte alles aber viel früher: Vor 20 Jahren bricht der heute 61-Jährige beim Tennisspielen zusammen. Kammer fl immern, Reanimation, vier Tage künstliches Koma. In München baut man ihm seinen ersten De fi brillator ein. „Seit 2012 wird meine Herzleistung immer schwächer“, sagt Josef Michl. Alle drei Stunden überprüft eine P fl egekraft seinen Kreislauf, den Medika- mente aus der Spritzenpumpe stabil halten. Josef Michls Gesundheitszustand wird im Acht-Wochen- Rhythmus an die Stiftung Eurotransplant übermittelt. Hier laufen die Informationen über Transplantations- kandidaten und die Daten gespendeter Organe aus sieben europäischen Ländern zusammen. „Er muss bestimmte Werte haben, um auf der HU-Liste zu bleiben“, erklärt Stationsleiterin Marlene Kramer die Situation ihres Patienten. Wer nicht in die höchste Dring- lichkeitsstufe fällt, für den sinken die Chancen auf ein neues Herz rapide. HU bedeutet Unaufschiebbarkeit. HU heißt aber auch Isolation. „Patienten wie Herr Michl dürfen die Station auf keinen Fall verlassen, sie sind Tag und Nacht bei uns.“ Ein paar Schritte über den Gang, ein Besuch im Nachbarzimmer – die Möglichkeiten sind begrenzt. Wie eine zweite Familie „Am Anfang ist die Stimmung immer noch ganz gut“, weiß Marlene Kramer. „Die Patienten haben Hoffnung, hier bald wieder rauszukommen.“ Doch das ändere sich oft schnell. „Manche fallen in ein tiefes Loch – gerade weil sie nicht wegkönnen. Das müssen wir abfangen.“ Die insgesamt 27 Gesundheits- und Krankenp fl eger der B5 bemühen sich, für die Patienten ein Stück weit Normalität zu schaffen, ihnen kleine Freuden zu bereiten – und da zu sein, wenn jemand einfach nur reden will. „Man braucht eigentlich gar nichts zu sagen. Die P fl eger erkennen sofort, wenn man einen schlechten Tag hat“, weiß Josef Michl. Die Krankenschwestern und -p fl eger organisieren Spieleabende, an Weihnachten und Ostern dekorieren alle gemeinsam die Zimmer. In keinem anderen Bereich bauen P fl egekräfte und Erkrankte ein so enges Verhältnis auf, glaubt Marlene Kramer. „Wir sehen uns täglich, oft über eine sehr lange Zeit. Wahrscheinlich sind wir mit den Patienten länger zusammen als mit der eigenen Familie. Am Anfang nimmt man jede Geschichte mit nach Hause – aber man lernt, damit umzugehen.“ Zwischen 12 und 24 Monate kann es dauern, bis ein passendes Spenderherz In der Herzchirurgischen Klinik warten Trans- plantationskandidaten auf den Beginn eines neuen Lebens. Die Gesundheits- und Krankenp fl eger der Station B5 begleiten sie Tag und Nacht auf ihrem schweren Weg. EINE BESONDERE BEZIEHUNG UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN | 9
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