Jahresbericht 2013 | 2014: Medizin. Menschen. Momente.

checken wir den Betroffenen dann komplett durch: neben der Leber auch das Herz, das Kreislaufsystem und die Lunge. Wir klären unter anderem, ob der Körper die OP überhaupt verkraften kann.“ Außerdem sehen sich die Chirurgen mithilfe von Magnetresonanz- sowie Computertomografie (MRT und CT) an, wo genau der Krebs sitzt: Welche Lebersegmente sind betroffen? Wie nah befindet sich der Tumor an den Gallengängen und den Blutgefäßen? „Der Mensch kann auch mit einem Viertel seiner gesunden Leber gut leben. Wenn Tumor oder Metastasen nicht zu viel Raum einnehmen und es uns möglich ist, das erkrankte Gewebe problemlos zu entfernen, dann ist das eine Option. Ist der Krebs aber zum Beispiel über das ganze Organ diffus verstreut oder muss zu viel Lebergewebe entfernt werden, dann spricht dies für eine andere Therapieform.“ Das heißt allerdings nicht, dass die Ärzte den Patienten aufgeben, wenn sie eine Operation ausschließen müssen. Bewährte Alter- nativen sind z. B. die Ablation von Tumoren oder die Embolisation von tumorversorgenden Blutgefäßen durch die Radiologie (Direktor: Prof. Dr. Michael Uder) sowie die selektive interne Radiotherapie der Nuklear- medizin (Direktor: Prof. Dr. Torsten Kuwert). Dabei applizieren die Ärzte über die Leistenschlagader sowie die Leberarterie mit Iridium 90 beladene Kügelchen in den Tumor und bestrahlen ihn so von innen. Neue Wege in der Transplantationsmedizin Der komplexeste Eingriff ist aber nach wie vor die Leber- transplantation. Hier schloss das Uni-Klinikum Erlangen im Sommer 2013 einen Kooperationsvertrag mit dem Klinikum der Universität München (LMU): „Wir beschrei- ten damit in der deutschen Transplantationsmedizin einen neuen Weg und hoffen, dass die Politik uns dabei unterstützt“, sagte Prof. Dr. Heinrich Iro, Ärztlicher Direktor des Uni-Klinikums Erlangen bei der Vertrags- unterzeichnung. Es handelt sich um die erste derartig enge Zusammenarbeit von zwei Lebertransplantations- zentren in Deutschland. Durch gegenseitige Ärzte- Hospitationen, offenen Erfahrungsaustausch und gemein- same experimentelle Forschung verfolgen alle Beteiligten das Ziel, die Transplantationsmedizin in Bayern zu stärken. Für Prof. Iro ist das Kooperationsmodell ein Leuchtturmprojekt: „Ich hoffe, dass sich die bayerische Politik vor seiner Strahlkraft nicht verschließt und es in den kommenden Monaten auf ein solides Fundament stellt.“ Aktuell verhandeln die beiden Uni-Klinika mit dem bayerischen Gesundheitsministerium über den künftigen Status des Lebertransplantationsteams in Erlangen. Wie schnell und auf welch hohem Niveau ein solcher Kooperationsvertrag mit Leben gefüllt werden kann, das beweisen nun die Ärzte in der unmittelbaren Zusammen- arbeit. „Die Chemie hat von Anfang an gestimmt – sowohl auf kollegialer als auch auf persönlicher Ebene“, berichtet Roland Croner begeistert. „Wir profitieren wirk - lich voneinander, es ist ein Geben und Nehmen, eben ein richtiger Austausch. Gemeinsam mit dem Münchner Kollegen Prof. Dr. Markus Guba führen wir Trans- plantationen durch und die Ärzte aus der Landeshaupt- stadt lernen bei uns die Lebereingriffe mit dem Da-Vinci- OP-Roboter kennen.“ Wie schnell der Kooperationsver- trag dann tatsächlich ein Leben retten sollte, hätte wohl kaum einer der Beteiligten vermutet: Quasi zeitgleich zur Vertragsunterzeichnung wird ein 17-jähriger Schüler mit Multiorganversagen auf der Intensivstation der Medizinischen Klinik 1 aufgenommen. Tobias S. aus dem Landkreis Forchheim schwebt nach einem Verkehrsunfall in Lebensgefahr, ist nicht mehr trans- portfähig und wird gleich als HU-Patient auf die Warte- liste für eine Spenderleber gesetzt. Glücklicherweise kommt nur wenige Tage später die Nachricht von Euro- transplant, dass ein Organ zur Verfügung steht: Ein Münchner Chirurg kommt nach Erlangen und nimmt gemeinsam mit Prof. Croner die Transplantation vor. „Hätten wir diesen Eingriff nicht in unserem Haus durch- führen können, wäre der Patient mit hoher Wahrschein- lichkeit beim Transport in ein anderes Zentrum verstorben“, stellt Roland Croner heute fest. Auch der junge Mann selbst kann es noch nicht so wirklich fassen: „Heute geht es mir einwandfrei – so, als ob nie etwas Tobias S. aus Buckenreuth verdankt sein Leben einer Lebertrans- plantation in Erlangen. An seine schwere Zeit auf der interdisziplinären Intensivstation hat er glücklicherweise kaum noch Erinnerungen. | JAHRESBERICHT 2013/2014 12

RkJQdWJsaXNoZXIy ODIyMTAw