Jahresbericht 2013 | 2014: Medizin. Menschen. Momente.
wirklich!“, sagt sie und strahlt aufrichtig. „Man erfährt so viel Dankbarkeit. Es ist ein ruhiges Arbeiten auf der IOI 2, ich bin abends nicht mehr so ausgepowert.“ Seit dem Sommer 2013 setzt sich die junge Intensivpflege - kraft für einen damals 17-jährigen Patienten ein, der am Uni-Klinikum Erlangen in letzter Sekunde eine Leber- transplantation bekam (s. S. 12). Sein großer Traum ist es, einmal zu einem Spiel des FC Bayern München zu fahren. Bis heute steht Katrin Ganzmann deshalb mit dem Fußballverein in Kontakt, um ihrem ehemaligen Patienten diesen Wunsch zu erfüllen. „An solchen Sachen sehe ich einmal mehr, dass das alles hier Sinn macht“, sagt sie. Dass jemand auf ihrer Station versterbe, sei zum Glück nicht die Regel. „Und wenn es doch passiert, dann besprechen wir das ausführlich im Team. Ich nutze auch den Heimweg, um abzuschalten und mir wieder das Wesentliche bewusst zu machen.“ Es ist eine Herausforderung, mit solchen Belastungen umzugehen und sie abzuschütteln, wenn der private Alltag beginnt. Einige Patienten vereinnahmen das Pflegepersonal der IOI 2 sehr stark. Sie durchleiden Ängste, bekommen manchmal Panik, wenn sie langsam vom Beatmungsgerät entwöhnt werden oder allein im Zimmer sind. Viele Angehörige binden die Pflegenden in ihre Sorgen und Trauer ein, jeder möchte die volle Aufmerksamkeit. Einmal habe sich ein Mann nach dem Verlust seiner Ehefrau bitterlich weinend an Mariette Kesch geklammert. „Ich habe mit ihm geweint“, erinnert sie sich. „Es stimmt einfach nicht, wenn jemand sagt ‚Ihr stumpft doch total ab‘. Ich lasse Gefühle zu und bin in meinem Beruf zu jeder Zeit emotional voll da. Genauso kann ich aber abschalten, sobald ich meine Haustür aufschließe.“ Frühestens auf der Fahrt von Heroldsbach nach Erlangen am nächsten Morgen mache sie sich wieder Gedanken über den bevorstehenden Tag. Um die psychische Anstrengung für die Pflegenden nicht zu groß werden zu lassen, nimmt die IOI 2 durchaus auch Kurzzeitpatienten auf. Die stationsverantwortlichen Pflegekräfte und der diensthabende Anästhesist ent- scheiden individuell, wer auf die IOI 1 und wer auf die kleinere Nachbarstation gelegt wird – im Einzelfall äußert der Patient selbst, was ihm am liebsten wäre. So wollte erst kürzlich ein noch recht junger Mann, der voll kontaktfähig war, aber noch teilweise vom Beatmungs- gerät unterstützt werden musste, ausdrücklich auf der IOI 1 bleiben – weil er sich dort wohlfühlte. Oft schicken die Patienten beider Intensiveinheiten auch nach Jahren noch Postkarten oder kommen persönlich vorbei, um Hallo und Danke zu sagen. Manche sind kaum wiederzuerkennen, so gut sehen sie aus. Gemeinsam mit den Pflegekräften entstehen viele Fotos, die Mariette Kesch sammelt und aufbewahrt – im „Fan-Ordner“, wie sie sagt. „Eine bessere Motivation und eine aussagekräftigere Qualitätsbeurteilung unserer Arbeit gibt es nicht.“ n fm Gemeinsam mit einem Kollegen versorgt Pflegekraft Katrin Ganzmann einen beatmeten Patienten, spricht ihm beruhigend zu. Gemeinsammit den beiden Teamleitern der Früh- und Spätschicht verschafft sich die Stations- leiterin am Mittag einen Überblick über aktuelle Patienten und Neuzugänge. UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN | 21
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