Jahresbericht 2013 | 2014: Medizin. Menschen. Momente.

zeigen, werden tatsächlich Fachärzte für Allgemein- medizin. „Viele gehen aber in die ambulante Versorgung, werden niedergelassene Internisten, Gynäkologen und Kinderärzte – und müssen als Primärmediziner ihre Diagnostik anpassen“, erklärt Prof. Kühlein. Denn: Die Patienten eines niedergelassenen Arztes unterscheiden sich deutlich von denen eines Universitätsklinikums. „Die Wahrscheinlichkeit, in der Primärmedizin auf eine bedrohliche Krankheit zu stoßen, ist wesentlich geringer als in der Universitätsmedizin“, erklärt Thomas Kühlein. „Deshalb sollten sich Hausärzte – und andere Nieder- gelassene – darauf konzentrieren, gefährliche Verläufe auszuschließen, und dann aufmerksam abwarten, anstatt nach Diagnosen zu suchen.“ Je mehr Diagnostik man betreibe, desto mehr Diagnosen werden unweiger- lich erzeugt – und desto mehr unnütze, vielleicht sogar schädliche Medikamente werden verordnet. Über 60 Lehrpraxen „Hausärzte sollen sich auch als Vertreter des Patienten zum Schutz vor Überversorgung verstehen“, sagt Marco Roos. Auf die Sorgen von Menschen einzugehen, die sich krank fühlen, lernen die Studierenden auch während eines zweiwöchigen Blockpraktikums. Dazu kooperiert das Allgemeinmedizinische Institut mit über 60 Lehrpraxen in der Europäischen Metropolregion Nürnberg. Hier haben die Studierenden „das große Ganze“ vor sich und erfahren, dass sich Wissenschaft immer am Individuum – am Patienten – orientieren muss. „Wir unterstützen die Praxisinhaber dabei, die Studierenden bei möglichst vielen alltäglichen Situationen anzuleiten“, erklärt Dr. Roos, der einen Leit- faden für Lehrärzte geschrieben hat. Auch das praktische Jahr (PJ) am Ende des Medizin- studiums kann in der Allgemeinmedizin abgeleistet werden. „Wir würden uns auch einen allgemein- medizinischen Pflichtteil im PJ wünschen – so wie in anderen europäischen Ländern“, sagt Thomas Kühlein, „denn jeder Arzt sollte die Abläufe in der ambulanten Medizin kennen und die Schnittstellen zwischen den Versorgungsebenen miterlebt haben.“ Im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Eckental des Uni-Klinikums Erlangen, dessen ärztlicher Leiter Prof. Kühlein seit Oktober 2013 ist, kommt die praktische Ausbildung gleichermaßen in Gang. Elena Schroff famuliert im MVZ und erlebt dort, „dass Prof. Kühlein auch umsetzt, was er lehrt. Er verschreibt eben kein unnötiges Antibiotikum bei einem harmlosen Schnupfen und erklärt den Patienten ganz genau, warum er sie wie behandelt.“ Für die Studentin war die allgemeinmedizinische Vorlesung eine der besten im fünften Semester, denn: Sie hat Elena Schroff und ihre Kommilitonen an einen aussichts- reichen Beruf herangeführt, in dem gerade Frauen von der Vereinbarkeit von Arbeitswelt und Familie profitieren. n fm Zweimal pro Woche hat Thomas Kühlein Sprechstunde imMedizinischen Versorgungszentrum Eckental in der Ambazac Straße 6. Der Patient in Sorge angesichts eines ihn verfolgenden Krankheitsrisikos. Diese Angst muss ihm der Hausarzt nehmen. Illustration: Thomas Kühlein UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN | 27

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