Jahresbericht 2013 | 2014: Medizin. Menschen. Momente.

Als sie neben dem Beruf noch den schwer kranken Schwiegervater zu pflegen beginnt, leidet Hannelore Lachmann bereits seit zehn Jahren an Rücken- schmerzen. Durch die zusätzliche Belastung, das ständige Heben und Stützen, werden die durch mehrere Bandscheibenvorfälle und eine Spinalkanalverengung verursachten Schmerzen schlimmer. Nach einem weiteren Jahr kann sich Hannelore Lachmann kaum noch bewegen. Die Rückenschmerzen strahlen bis in die Oberschenkel und Kniekehlen aus, jede kleinste Bewegung tut weh. Schon das Laufen und Sitzen wird zur Qual, an Sport oder Unternehmungen im Freundes- kreis ist kaum noch zu denken. Auch arbeiten kann Hannelore Lachmann nicht mehr. „Nichts ging mehr so wie vorher“, berichtet die 57-Jährige. Ihr Zustand verschlechtert sich weiter, der Leidensdruck wird immer stärker. Dann ein Lichtblick: Ihr Hausarzt weist sie auf das Schmerzzentrum des Uni-Klinikums Erlangen hin. Hannelore Lachmann informiert sich über die Therapie, füllt einen 15-seitigen Fragebogen aus, kommt zum Erstgespräch nach Erlangen und wird schließlich in die Therapiegruppe aufgenommen – ein Wendepunkt in ihrem schmerzerfüllten Leben. Seit 2002 gibt es das interdisziplinäre Schmerzzentrum (Sprecher: Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Schüttler und Prof. Dr. Dr. h. c. Stefan Schwab). Verschiedene medizinische Fachbereiche arbeiten hier eng zusammen: Anästhesie, Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik und Orthopädie. Das Team besteht aus neun Ärzten, fünf Psychologen, Sporttherapeuten, Krankengymnasten und Fach- krankenpflegern. Bereits 1988 wurde eine Schmerz - ambulanz in der Anästhesiologischen Klinik eingerichtet und in den 1990er-Jahren personell verstärkt. Parallel dazu konnte für Patienten, bei denen die normale Schmerztherapie nicht ausreicht, ein Akutschmerzdienst etabliert werden. Ein Meilenstein für die Entwicklung des Zentrums war die interdisziplinäre Schmerz- konferenz in Erlangen, bei der sich Ärzte, Pharmako- logen und Psychologen über Möglichkeiten der Schmerz- therapie austauschten. Damals entstand die Idee einer Vergleichsstudie, die vom Bundesministerium für Forschung und Technologie gefördert wurde: Chronische Kopf-, Rücken- und Tumorschmerzpatienten wurden auf unterschiedliche Weise behandelt und die Resultate miteinander verglichen. Die Untersuchung zeigte, dass eine multimodale – aus vielen verschiedenen Therapie- verfahren zusammengesetzte – Therapie bei den Betroffenen besonders gut anschlägt. Aufgrund der einschlägigen Ergebnisse wurde von Dr. Reinhard Sittl und Prof. Dr. Eberhard Lang in enger Zusammenarbeit mit den anderen Disziplinen ein Antrag auf die Integration einer interdisziplinären Therapie am Uni- Klinikum gestellt und schließlich bewilligt. Den Schmerz akzeptieren Patienten, die ins Schmerzzentrum kommen, haben häufig einen langen Leidensweg und unzählige Unter - suchungen bei diversen Behandlern hinter sich. „Oft sind die Betroffenen sehr verzweifelt, wenn sie uns aufsuchen“, berichtet Dr. Reinhard Sittl, geschäfts- führender Oberarzt des interdisziplinären Schmerz- zentrums, und erklärt: „Sie fühlen sich nicht mehr ernst genommen, weil für die Schmerzen keine Ursache gefunden werden kann. Daher ist es besonders wichtig, dass wir uns für jeden Einzelnen viel Zeit nehmen.“ ► Schmerzen hat jeder mal. Wenn Rücken-, Kopf- oder Nervenschmerzen allerdings über einen längeren Zeit- raum anhalten und ein großer Leidensdruck entsteht, ist Hilfe nötig. Das interdisziplinäre Schmerzzentrum ist dann die richtige Anlaufstelle für Betroffene. Schmerz, lass nach! UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN | 29

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