Jahresbericht 2013 | 2014: Medizin. Menschen. Momente.
Zunächst füllen die Betroffenen einen standardisierten Schmerzfragebogen aus, anhand dessen eine erste Klassifikation zur Dringlichkeit der Behandlung vorgenommen werden kann und beurteilt wird, ob der Patient von der Gruppentherapie im Schmerzzentrum profitieren könnte. Daran schließt jeweils eine 90-minütige ärztliche sowie psychologische Anamnese- erhebung an. Danach entscheidet das Team gemeinsam mit dem Patienten, welche Therapieoption die bestmög- liche ist. Denn nicht alle Betroffenen kommen für eine Teilnahme an den unterschiedlichen Gruppen- programmen des Schmerzzentrums infrage. Wenn beispielsweise ambulante Therapien noch nicht ausgereizt wurden, der Allgemeinzustand zu schlecht ist oder die Bereitschaft zu psychotherapeutischer Arbeit fehlt, wird ein ambulanter Therapieplan erarbeitet oder die Patienten werden stationär aufgenommen. Für Hannelore Lachmann schlagen die Ärzte das fünf- wöchige Gruppenprogramm bei chronischen Schmerzen vor. Sie hat alle Voraussetzungen für eine Teilnahme erfüllt: ausgedehnte Schmerzen, erfolglose Vortherapie, hoher Chronifizierungsgrad, deutliche Einschränkungen, hoher Leidensdruck sowie eine erhebliche psycho- soziale Komponente. Denn bei Schmerzpatienten müssen neben den biologischen Ursachen auch die psychischen und gesellschaftlichen Bedingungen sowie das soziale Umfeld berücksichtigt werden – das sogenannte bio-psycho-soziale Modell. Neben dem fünf- wöchigen Gruppenangebot bei chronischen Schmerzen gibt es Therapieangebote spezifisch für Kopfschmerz - patienten, Kinder, Senioren sowie ein Programm für somatoforme Schmerzen und Fibromyalgie. Dauer und Behandlungselemente sind jeweils auf die Zielgruppe abgestimmt. So wird bei Berufstätigen und Kindern beispielsweise auf eine Vereinbarkeit mit Job und Schule geachtet. Bei Senioren erstreckt sich die Therapie über einen längeren Zeitraum, dafür mit weniger Einheiten in der Woche. Hannelore Lachmann hat im Februar vergangenen Jahres mit ihrem Schmerztherapie- programm begonnen. Die Gruppe von acht Patienten trifft sich in diesem Zeitraum täglich zur multimodalen Schmerztherapie. Der Tagesablauf hat einen be- stimmten Rhythmus. Der Vormittag beginnt immer in einem Trainingszentrum. Dort findet unter Anleitung der Physiotherapeuten Gerätetraining und Gruppen- gymnastik statt. Die Neurologin Dr. Britta Fraunberger sieht in dem Sportprogramm einen wichtigen Therapie- baustein: „Es gibt Patienten, die sich seit über 20 Jahren aus lauter Angst vor den Schmerzen nicht mehr gebückt haben. Das Training hilft ihnen, die Angst vor Bewegungen wieder abzubauen.“ Nach der sportlichen Betätigung findet ein Entspannungstraining statt, bei dem durch Achtsamkeits- und Meditationsübungen der Umgang mit Belastungen verbessert werden soll. Nach- mittags steht die Selbstedukation der Patienten im Vordergrund. Hierfür werden Schulungen über unter- schiedliche Schmerzbilder, Medikamente oder zum Schmerzbewältigungstraining gehalten. „Dabei spielt die Akzeptanz der Schmerzen eine ganz wichtige Rolle“, erklärt Peter Mattenklodt. „Wir versuchen, den Patienten beizubringen, die Schmerzen anzunehmen, ihnen einen Platz in ihrem Leben zu geben und die eigene Energie auf neue Bereiche zu lenken“, erläutert der leitende Psychologe. Dieser Prozess erfordert viel Arbeit von den Betroffenen selbst und braucht Zeit: „Der Schmerz ist wie ein Krake, der seine Tentakel in immer mehr Lebens- bereiche streckt, und für viele Patienten bedeutet Akzeptieren zunächst Resignieren“, berichtet Peter Mattenklodt. Der Psychologe Peter Mattenklodt und die Neurologin Dr. Britta Fraunberger erklären Hannelore Lachmann den Tagesablauf während der Schmerztherapie. Entspannungsübungen wie die Meditation oder das Achtsamkeits- training sind für Schmerzpatienten elementar. | JAHRESBERICHT 2013/2014 30
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