Jahresbericht 2013 | 2014: Medizin. Menschen. Momente.

an Tumor zu entfernen, bei einem Minimum an Schaden für den Menschen.“ Und das Risiko ist groß, denn wenn der Arzt nur einen Millimeter zu weit schneidet, kann dies zu schweren neurologischen Ausfällen beim Erkrankten führen. Liegt die Geschwulst beispielsweise in der Nähe des Sprach-, Seh- oder Hörzentrums, so besteht die Gefahr, dass der Betroffene eine oder mehrere dieser Fähigkeiten einbüßt. Die Krux liegt darin, bösartige Zellen von gesunden zu unterscheiden: Da die Grenzen zwischen dem Krebs und dem Nerven- gewebe äußerst schwierig zu erkennen sind, ist dies auch renommierten Neurochirurgen, die viel Erfahrung besitzen, mit dem bloßen Auge nicht möglich. „Aus Angst, den Patienten zu beeinträchtigen, belassen Ärzte häufig bewusst einen wesentlichen Anteil des Tumors im Gehirn“, sagt PD Savaskan. „Für den Menschen bedeutet dies, dass sowohl das Ergebnis der Operation als auch das einer folgenden Radio- und/oder Chemo- therapie deutlich schlechter ist, als es sein könnte.“ Die individuell bestmögliche Behandlung ist das erklärte Ziel der Erlanger Neurochirurgen – deswegen arbeiten sie im Team mit zahlreichen Experten anderer Einrichtungen des Universitätsklinikums. Einmal wöchentlich treffen sich die Spezialisten zur gemein- samen Tumorkonferenz und besprechen dort jeden vorliegenden Fall: ganz individuell und vollkommen neutral. Vorgestellt werden die Patienten von zu- weisenden Ärzten oder über die Krebsinformation des Comprehensive Cancer Center Erlangen-EMN; einige melden sich auch selbst zur Sprechstunde an. „Eingehende Befunde sichten wir zeitnah“, berichtet Nicolai Savaskan. „Wenn der Mensch persönlich vor Ort ist und untersucht werden kann, ist das natürlich noch besser.“ Welcher Betroffene schließlich zu DIVA in den OP-Saal gebracht wird, ist von vielen spezifischen Faktoren abhängig – nicht aber von der Tumorgröße! „Für uns ist beispielsweise wichtiger, dass sich der Patient noch keiner Hirnoperation unterzogen hat“, betont Ilker Eyüpoglu, „denn postoperative Verän- derungen erschweren den erneuten Eingriff.“ Eine Kombination von Vorteilen DIVA ist keine neue Erfindung, sondern die neue Idee, zwei bewährte Vorgehensweisen miteinander zu kombinieren. In Kliniken, in denen ein moderner OP-Saal mit einem fest installierten Magnetresonanztomografen zur Verfügung steht, wird häufig bildmorphologisch behandelt. Das heißt, die Ärzte machen schon während des Eingriffs Aufnahmen, auf deren Basis sie eine Zwischenbilanz ziehen und entscheiden können, wie die Operation weiter verlaufen soll: Wurde der Krebs bereits so weit wie möglich entfernt oder befindet sich noch Tumormasse vor Ort, die gefahrlos abgetragen werden kann? Dem Patienten bleibt so ggf. ein zweiter Eingriff erspart. Chirurgen anderer Krankenhäuser setzen auf die Biochemie: Dem Erkrankten werden vor der OP ca. 50 ml Farbstoffflüssigkeit verabreicht. Diese reichert sich aufgrund des erhöhten Stoffwechsels der Krebs- zellen in diesen an und wird in fluoreszierenden Farb - stoff umgewandelt. Mithilfe einer Speziallampe kann sich der Arzt schließlich am Leuchten orientieren und das rotviolett schimmernde Tumorgewebe von gesundem Gehirn, das in Blautönen dargestellt wird, unterscheiden. „Wir haben hier in Erlangen beide Prozedere regelmäßig durchgeführt, kannten jeweils ihre Vor-, aber eben auch die Nachteile. Mit der Zeit fragten wir uns, was wohl passiert, wenn wir die zwei Methoden parallel anwenden“, erinnert sich PD Eyüpoglu. „Mit großer Freude stellten wir fest, dass sich die Kombination zugunsten der Vorteile auswirkt. Wir konnten plötzlich mehr Tumormasse entfernen und gleichzeitig ein höheres Maß an Sicherheit für den Patienten gewährleisten.“ Die Idee klingt simpel – so simpel, dass sich die Frage stellt, wieso vorher kein anderer darauf gekommen ist. „Wir besaßen den Vorteil, dass wir beide Verfahren schon mehrfach selbst ausgeübt hatten“, betont Ilker Eyüpoglu. „Ältere Kollegen, die – wenn auch teils über viele Jahre und mit PD Dr. Ilker Eyüpoglu (r.) und PD Dr. Nicolai Savaskan zählen weltweit zu den DIVA-Pionieren und arbeiten kontinuierlich daran, das Verfahren noch weiterzuentwickeln. | JAHRESBERICHT 2013/2014 38

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