Jahresbericht 2013 | 2014: Medizin. Menschen. Momente.
großem Können – nur mit einem der zwei Prozedere arbeiteten, verfügten schlichtweg nicht über die Möglichkeit, das Potenzial zu erkennen. Ein Vogel im Käfig kennt die Freiheit nicht.“ Die Erlanger Neuro - chirurgen sammeln nun Erfahrungen mit DIVA und teilen diese mit Kollegen aus aller Welt – erkennen aber noch mehr Potenzial. „Wir möchten aus DIVA gerne TRIVA machen“, sagt PD Eyüpoglu. „Wir haben ein drittes Verfahren im Blick, das wir zusätzlich einsetzen und so den Therapieerfolg noch weiter verbessern wollen. Das kommt alles direkt der Lebensqualität unserer Patienten zugute.“ Aussicht auf Leben und Lebensqualität Heilung können allerdings auch die Erlanger Ärzte ihren Patienten nicht versprechen. „Um hundertprozentig sicherzugehen, müsste man mehrere Kubikzentimeter gesundes Gehirngewebe entfernen“, drückt Nicolai Savaskan es drastisch aus. „Das geht aber nicht ohne das Risiko von Ausfällen und Lähmungen.“ Deswegen versuchen die Erlanger Neurochirurgen, ihre Patienten in eine optimale Startsituation für eine erfolgreiche Behandlung zu bringen. Rein technisch ist eine voll- ständige Entfernung des Tumors möglich, wobei die funktionelle Unversehrtheit des Betroffenen oberste Priorität hat. Gerade sogenannte Hochrisikopatienten, deren Tumor in der Nähe des Sprach-, Seh- oder Hörzentrums liegt, sind am Uni-Klinikum Erlangen in den besten Händen. „Unser Ziel ist es, für jeden Menschen das Maximum an Lebenszeit bei einem Maximum an Lebensqualität herauszuholen“, sagt Ilker Eyüpoglu. „Das ist eine schmale Gratwanderung: Ein zu aggressiver Chirurg entfernt womöglich zu viel Gewebe und beein- trächtigt so die Lebensqualität – ein zu ängstlicher Operateur belässt vielleicht Tumormasse im Gehirn und schränkt damit die Lebenszeit ein.“ Nicht zu mutig – nicht zu vorsichtig: Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, könnten sich die Ärzte sozusagen an einem Führungsseil festhalten: bestehend aus den technischen Möglichkeiten, der intraoperativen Bildgebung sowie der Biochemie. Die Pionierleistung der Erlanger Neurochirurgen hat sich herumgesprochen: Die Patienten kommen aus ganz Deutschland, teils sogar aus anderen europäischen Ländern, um sich in Erlangen operieren zu lassen. Manchmal sind es die Betroffenen selbst, die nach Erhalt ihrer Diagnose recherchieren und in Fachartikeln oder im Internet auf DIVA stoßen. „Die Beschäftigung mit der schweren Erkrankung ist allerdings sehr belastend“, weiß PD Savaskan. „In vielen Fällen sind es die Angehörigen, die nach Therapieoptionen suchen. Der Patient steht dann vor uns und sagt: ‚Machen Sie mir das Ding raus!‘“ Rund 50-mal kommt DIVA jährlich zum Einsatz. Die Operation dauert je nach Komplexität des Tumors zwei bis zehn Stunden und der stationäre Aufenthalt in der Regel zwei Wochen. Derzeit beherrschen drei Ärzte das Verfahren und geben ihre Erfahrungen in Trainings an Kollegen weiter. „Außerdem verfolgen wir weitere vielversprechende Forschungsansätze“, sagt PD Eyüpoglu. „Wir sind in der glücklichen Situation, dass am Universitätsklinikum Erlangen Translation großgeschrieben wird: also die schnelle Umsetzung von Forschungsergebnissen in neue Diagnose- sowie Therapieverfahren.“ Eine internationale Vergleichsstudie bestätigt inzwischen die hervorragenden Ergebnisse von DIVA. Besonders Patienten mit einem Tumor in direkter Nähe zum Sprach-, Seh- oder Hörzentrum profitieren von einem Eingriff, bei dem die Chirurgen computer- assistiert mit MRT-Bildgebung und Tumor-Fluoreszenz- Visualisierung operieren. „Wir haben hier am Uni- Klinikum Erlangen eine einzigartige Infrastruktur und können so mit höchster Präzision sicher operieren“, bestätigt auch Klinikdirektor Prof. Dr. Michael Buch- felder. „Die aktuelle Studie belegt eindrucksvoll, dass sich die hohen Investitionen in die OP-Technik für unsere Patienten auszahlen.“ n bm DIVA ermöglicht es dem Chirurgen, während der Operation leuchtend rotviolette Tumorzellen von dem dunkelblau schimmernden gesunden Gewebe zu unterscheiden. UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN | 39
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