Jahresbericht 2014 | 2015: Medizin. Menschen. Momente.
Bewegt man sich im Lichthof oder in den verglasten Treppenhäusern des TRC, begegnet man ganz selbst- verständlich den Mitarbeitern des Zentrums. Wer einen Kaffee möchte, muss in die kleine Küche oder die haus- eigene Cafeteria im Erdgeschoss – auf den oberen Etagen gibt es weder Kaffeemaschinen noch Getränke- automaten. Das bringt Menschen aus gegenwärtig über zehn Nationen zusammen: Deutsche, Amerikaner, Fran- zosen, Griechen, Inder, Italiener und andere. Über 100 Wissenschaftler haben ihre Arbeitsplätze im TRC, dessen dritten Buchstaben Michael Stürzl auch gern als Initiale von Come together versteht. Vom Mikroskop bis zur Gelelektrophorese-Apparatur teilen sich die Forscher viele Geräte in Multi-User-Bereichen – weil das Geld spart und die Kommunikation anregt. Auch Besuchern und Patienten steht das Gebäude zwischen Ulmenweg und Schwabachanlage offen, Laborräume ausgenommen. Chirurgen und Kardiologen lernen voneinander Das Beispiel von Prof. Stürzls Arbeitsgruppe verdeut- licht die vielfältigen Interaktionen im TRC. Sie ist der Chirurgie angegliedert und erforscht das kolorektale Karzinom. Darmkrebs ist international die dritthäufigste krebsbedingte Todesursache. Pro Jahr sterben daran 30.000 Frauen und Männer in Deutschland, weltweit gibt es jährlich 1,4 Millionen neue Fälle. Michael Stürzls Team untersucht unter anderem die Kommunikations- wege in und zwischen den Zellen. Die Wissenschaftler wollen molekulare Marker identifizieren, die Auskunft über das Ansprechen der Therapie und die Prognose bei kolorektalem Karzinom geben. „Wir haben insbeson- dere ein Gen identifiziert – das Guanylat-Bindungspro - tein-1, kurz GBP1 –, das uns anzeigt, wann im Tumor eine bestimmte Immunantwort abläuft. Krebspatienten, die diese aufweisen, leben wesentlich länger. Wir stellen uns also die Frage, worauf die positive Wirkung dieser Immunantwort beruht und wie wir diese auslösen können“, erklärt Prof. Stürzl. Auch die sogenannten Stro- mazellen, die sich im Tumor befinden, jedoch nicht zu den Tumorzellen gehören, stehen im Fokus der 19-köpfigen Arbeitsgruppe. „Unter Federführung von PD Dr. Elisabeth Naschberger isolieren wir die Stromazellen und befragen sie wie Spione zu den funktionellen Prozessen im Tumor. Die Stromazellen haben ein Gedächtnis. Siemerken sich, ob sie aus einem Tumor-Mi- kromilieu mit positiver oder nachteiliger Immunantwort stammen. Entsprechend unterschiedliche Genexpressi- onsmuster weisen sie auf.“ Aber welchen Nutzen haben die entdeckten Gene am Ende für Darmkrebspatienten? Beantworten soll das eine der größten klinischen Studien zum kolorektalen Karzinom weltweit: die von der Chirurgie des Uni-Klini- kums Erlangen in Kooperation mit Klinika in Frankfurt, Köln und Ansbach durchgeführte Polyprobe-Studie mit 650 rekrutierten Patienten. Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von der Siemens AG wurde die in den vergangenen fünf Jahren durchgeführte Studie mit nahezu 2 Millionen Euro gefördert. Vor Ort sind das Institut für Medizininformatik, Biometrie und Epidemiologie der FAU, das Pathologische Institut und das Klinische Krebsregister der Chirurgie des Uni-Klini- kums Erlangen eingebunden. Doch Forschung wäre nicht translational, wenn die Erkenntnisse zu einem Krankheitsbild in einer einzigen Disziplin verharren würden. Translation heißt, Wissen PD Dr. Vera Schellerer (l.), Dr. Barbara Dietel und Prof. Dr. Dr. Michael Stürzl diskutieren die Schnittstellen ihrer Forschung. Blick hinter die Kulissen: In den Labors des TRC arbeiten Forscher aus mehr als zehn Nationen an gemeinsamen Projekten. | JAHRESBERICHT 2014/2015 10
RkJQdWJsaXNoZXIy ODIyMTAw