Jahresbericht 2014 | 2015: Medizin. Menschen. Momente.
„Wenn das Wohlbefinden steigt, steigen auch die Chancen auf den Therapieerfolg“, sagt Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Inhaberin der bayernweit ersten Professur für Klinische und Experimentelle Ernährungsmedizin. „Ein mobiler Patient hat mehr Energie und damit mehr Mut – vor allem mehr Lebensmut.“ Optimismus und Zuver- sicht allein könnten einen Krebskranken zwar nicht heilen, aber einen entscheidenden Beitrag leisten, um die häufig langwierige Behandlung besser zu vertragen und zu einem guten Ende zu bringen. Denn was oft vergessen wird: Betroffene jeder Altersstufe haben zwar einerseits mit dem Tumor selbst, aber andererseits auch mit vielen Begleiterscheinungen zu kämpfen. Gerade die Chemo- und die Strahlentherapie gehen u. a. mit Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen und Entzün- dungen einher. Wer aber krank ist und die Lust zu essen verliert, der büßt außerdem seine Muskulatur ein, wird schwächer, fühlt sich kraft- und antriebslos. „Hier können und hier wollen wir ansetzen“, erläutert Prof. Zopf. „Egal, wie aussichtslos die Situation erscheint, es ist immer möglich, etwas zu erreichen.“ Anfangs sind es meist nur ganz kleine Schritte, die die Patienten im Rahmen der Bewegungstherapie an der Medizinischen Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumo- logie und Endokrinologie (Direktor: Prof. Dr. Markus F. Neurath) des Uni-Klinikums Erlangen machen. Unter Anleitung absolvieren die Betroffenen ein Ganzkör- per-Elektrostimulationstraining (EMS): zu Beginn nur wenige, später bis zu 20 Minuten. Während die Teil- nehmer in spezieller Ausrüstung die Übungen nachma- chen, die sie auf dem Monitor vor sich sehen, werden ihre Muskelzellen durch niederfrequente Stromimpulse mit geringer Stromstärke angeregt. Das verstärkt den Trainingseffekt. Von diesem Angebot und der dazu laufenden Studie erfuhr Peter Rennecke zufällig über einen Fernsehbeitrag und nahm gleich Kontakt auf. „Ich habe in meinem Leben schon immer viel Sport getrieben“, berichtet der Polizeibeamte im Ruhestand. Seit bei ihm im Frühjahr 2014 allerdings ein Bauchspei- cheldrüsenkarzinom diagnostiziert wurde und er sich in Behandlung begeben musste, habe er deutlich Musku- latur und Gewicht verloren. „Ich betrachtete mich im Spiegel und erkannte mich nicht mehr“, erinnert er sich. Heute sucht Peter Rennecke geradezu die Herausforde- rung, und die Anstrengung macht ihm sichtlich Spaß: „Zweimal die Woche komme ich hierher und trainiere. Die körperliche Aktivität hebt meine Laune, meine Muskeln bilden sich wieder aus und ich nehme Energie mit nach Hause. Nach meiner Einheit am Freitag stehe ich sozusagen das ganze Wochenende unter Strom.“ Kombination aus Bewegung und Ernährung Neben dem Bewegungsprogramm nimmt der 71-Jährige, der gerade zum dritten Mal eine Chemotherapie erhält, auch die Ernährungstherapie in Anspruch: Das Ernäh- rungsteam der Medizin 1 hat ihm ein individuelles Konzept zusammengestellt und ihn gut beraten. „Wir betrachten jeden Betroffenen für sich“, erläutert Dr. Hans Joachim Herrmann. „Zum einen werfen wir einen Blick auf die Proteinzufuhr, denn Eiweiß ist unverzichtbar für den Aufbau von Muskulatur. Zum anderen entwickeln viele Krebspatienten im Behandlungsverlauf eine Man- gelernährung, die wir zu beheben versuchen.“ Hier kämpfen der Diplom-Ernährungswissenschaftler und seine Kollegen gegen viele Vorurteile, denn Begriffe wie Trink- und Sondennahrung oder künstliche Ernährung sind noch immer negativ besetzt. ► Kranke sollen sich schonen, das Bett hüten und neue Kräfte sammeln. Diese Regel galt lange Zeit auch für Krebspatienten. Studien belegen nun aber das Gegen- teil: Körperliche Aktivität unterstützt die Behandlung und verleiht Lebensmut. Mehr Mut! UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN | 13
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