Jahresbericht 2014 | 2015: Medizin. Menschen. Momente.
In ihrer Kindheit wurde die heute 35-jährige Carolin E. sexuell missbraucht. In der Ehe erfährt sie körperliche Gewalt. Um sich von den schrecklichen Erfahrungen abzulenken, stürzt sie sich in die Arbeit, überfordert sich ständig. Schlafstörungen, Panikattacken und die wieder- kehrenden quälenden Erinnerungen zermürben die junge Frau. Sozial zieht sie sich mehr und mehr zurück, wird misstrauisch gegenüber anderen und verlässt schließlich kaum noch das Haus. Carolin E. leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Geholfen wird ihr in der Psychosomatischen und Psychotherapeu- tischen Abteilung des Uni-Klinikums Erlangen. Bisher gibt es für Betroffene jedoch viel zu wenige adäquate Behandlungsangebote. Die Leiterin der Psychosomatik, Prof. Dr. (TR) Yesim Erim, und ihr Team möchten dies ändern und die Versorgung traumatisierter Menschen in der Region verbessern. Mit der Etablierung eines teilsta- tionären Traumasettings am Uni-Klinikum Erlangen ist der erste große Schritt gemacht. Vielfältige Ursachen Kein Tag vergeht ohne Berichte über traumatische Ereig- nisse wie Kriege, Naturkatastrophen, schwere Unfälle oder körperliche, oft sexuelle Gewaltverbrechen. In Deutschland erlebt etwa jeder Dritte im Laufe seines Lebens ein traumatisches Geschehnis, das direkt oder zu einem späteren Zeitpunkt eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) auslösen kann. „Ob sich nach einer belastenden Situation eine psychische Erkran- kung entwickelt, hängt von vielen Faktoren wie der Schwere, der Dauer und der Art des Erlebten sowie der individuellen psychischen Widerstandsfähigkeit ab“, sagt Dr. Andrea Silbermann, therapeutische Leiterin der Psychosomatischen Tagesklinik. 80 Prozent der PTBS- Betroffenen entwickeln zudem Traumafolgestörungen wie Depressionen, Ängste, Suchterkrankungen, Ess- und Schmerzstörungen. Bei der PTBS durchleben die Patienten das Trauma gedanklich oder emotional ungewollt immer wieder in Bruchstücken – sogenannten Flashbacks – oder leiden unter Albträumen. „Viele Betroffene fühlen sich ständig bedroht und empfinden ihre Umwelt als unsicher und gefährlich – das bedeutet großen Stress für Körper und Seele“, unterstreicht Dr. Silbermann. Mögliche Folgen dieser dauerhaften Belastung sind Ängste, Schlafstö- rungen, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit oder Konzentrati- onsstörungen. „Wenn sich die Traumafolgen ► Etwa jedem Dritten widerfährt im Laufe seines Lebens ein traumatisches Ereignis, das zu einer Posttrauma- tischen Belastungsstörung führen kann. Adäquate Therapieangebote sind selten. Die Erlanger Psycho- somatik möchte das nun ändern. Quälende Erinnerungen Prof. Erim (M.) mit Dr. Holmer Graap, der essgestörte Patienten mit Traumafolgestörung behandelt, und Dr. Silke Kastel-Hoffmann, die Akut-Traumatisierte betreut. UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN | 25
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