Jahresbericht 2014 | 2015: Medizin. Menschen. Momente.
soll jedes Feedback abschließen und erwünschtes Verhalten verstärken. Die Einschätzung bekommen die jungen Mediziner nicht aus der Ich-Perspektive der Schauspieler, sondern aus der Sicht des verkörperten Patienten. „Und diese Rückmeldung kann Leben retten“, verheißt Anita Schmidt den Simulationspatienten. „Sich selbst überschätzende Ärzte stellen eine Gefahr dar. Sie trauen sich im späteren Berufsleben Dinge zu, zu denen sie gar nicht in der Lage sind. Deshalb: Teilen Sie es denjenigen mit, wenn Sie etwas nicht angemessen fanden.“ Auch die Einschätzungen der Kommilitonen und des Facharzt-Tutors fließen in die umfassende Bewertung des Jungmediziners ein. Johannes Schoierer wendet sich als demenzkranker Herr Müller an seine Spielpartnerin: „Aus der Sicht von Herrn Müller fand ich es schön, dass Sie sich Zeit für mich genommen und Blickkontakt gehalten haben. Am Ende war ich als Herr Müller aber verunsichert und hätte mir gewünscht, dass Sie mich zu den angekündigten Tests begleiten. Zwischendurch haben Sie viel ge- schrieben. Da wusste ich nicht, ob Sie mir noch zuhören. Auch ein paar persönliche Fragen an Herrn Müller wären noch schön gewesen.“ – Drei negative Aspekte in Folge, gibt Feedback-Trainerin Anita Schmidt zu bedenken. „Vielleicht einen weglassen und mit einer positiven Sache abschließen“, rät sie dem begeisterten Schau- spielpatienten. Der freut sich, dass die Studenten dank seiner Hilfe immer sicherer werden – und schon jetzt vieles besser machen als mancher Arzt mit langjähriger Erfahrung. n fm 2014 angeboten, die 20 freien Plätze waren so schnell belegt wie in keinem anderen Wahlfach. „Wir wissen, dass der Student sehr schnell vergisst, dass ihm alles nur vorgespielt wird – die Situation erscheint ihm sehr intensiv und real“, sagt Lehrkoordinator Dr. Marco Roos. Videoanalysen von Rollenspielen haben gezeigt, dass selbst Fachärzte „falsche“ Patienten nicht von echten unterscheiden können. Das kann Viel-Spieler Johannes Schoierer bestätigen: Als vermeintlicher Patient mit Alkohol-Delir irrte er einmal orientierungslos in der Psychiatrie herum, warf Stühle um und lärmte. „Ein paar nicht eingeweihte Mitarbeiter wurden auf mich aufmerksam, ein Arzt musste die Situation aufklären“, amüsiert sich der überzeugende Kranke. Marco Roos sieht große Vorteile in einer inszenierten Kommunikation: „Im Beisein eines Facharztes simu- lieren wir eine reale Situation in einem geschützten Übungssetting, in dem auch Fehler passieren dürfen.“ Konkrete Fälle – von der alltäglichen bis zur Extremsitu- ation – können wiederholt durchgespielt und an die Lernziele der Studenten angepasst werden. Das ist beim normalen Stationsunterricht nicht möglich. „Denn nicht immer haben wir jemanden mit dem benötigten Krankheitsbild auf Station“, sagt Anita Schmidt. „Außer- dem kann es für einen geschwächten, kranken Menschen belastend sein, wenn plötzlich fünf Studenten um sein Bett stehen und ihn nach seinen Beschwerden fragen.“ Das Training mit Schauspielern entlastet und schützt also vor allem die tatsächlich Betroffenen. Feedback rettet Leben Weil der Simulationspatient nicht wirklich durch eine Krankheit belastet ist, kann er beim So-tun-als-ob genau auf die Reaktion seines Gegenübers achten, auf die verbale und nonverbale Kommunikation, den Blick- kontakt, das Einfühlungsvermögen. Seine Eindrücke meldet der Schauspieler dem Studenten nach dem Arzt-Patienten-Gespräch direkt zurück. „Aber bitte Cookie, Lemon, Cookie“, wünscht sich Anita Schmidt – eine Feedback-Methode, nach der eine Beanstandung (Zitrone) immer eingebettet zwischen zwei positive Aspekte (Kekse) geäußert werden sollte. Ein bis zwei Kritikpunkte reichen, mehr kann der Student gar nicht behalten. Ein abschließendes Lob – und sei es nur für die nette Begrüßung durch den Studenten zu Beginn – Studentin Lina-Marie Runkel muss den Blick einer psychotischen Patientin, die sich fürchtet und nervös im Raum umherschaut, immer wieder einfangen. UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN | 31
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