Jahresbericht 2014 | 2015: Medizin. Menschen. Momente.

Er wurde langsamer in seinen Bewegungen. „Das Alter“, sagte er selbst. „Da stimmt was nicht“, meinte seine Frau. Deshalb schickte sie ihren 74-jährigen Ruheständler zum Arzt. „Ich hatte nichts bemerkt, aber sie behielt recht“, erinnert sich Klaus Westermayer heute, rund ein Jahr nach der Parkinson-Diagnose. Kein leichter Befund für einen Menschen, in dessen Leben der Sport über viele Jahre das Titelthema war: Der Journalist leitete lange Zeit das Sport-Ressort einer Tageszeitung. Nun bestimmte der Parkinson, eine neurodegenerative Erkrankung, die von bewegungseinschränkenden Symp- tomen gekennzeichnet ist, sein Leben. Umgangssprachlich wird der Morbus Parkinson auch als Schüttel- oder Zitterlähmung bezeichnet, nach den Kardinalsymptomen der Krankheit, die sogar für den Laien gut erkennbar sind: Bradykinese (Verlangsamung der Bewegungsabläufe) und Rigor (Muskelstarre) einer- seits, Tremor (Muskelzittern) und Haltungsinstabilität andererseits. „Das Parkinson-Syndrom ist die häufigste neurodegenerative Bewegungserkrankung weltweit. In der Altersgruppe der über 65-Jährigen sind statistisch gesehen 1,8 von 1.000 Menschen betroffen“, erläutert Prof. Dr. Jürgen Winkler, Leiter der Molekular-Neurologi- schen Abteilung des Uni-Klinikums Erlangen. Angesichts der demografischen Entwicklung und der wachsenden Lebenserwartung wird die Zahl der Patienten in den kommenden Jahren allerdings weiter steigen. „Unser erklärtes Ziel ist es schon heute, individuell angepasste und langfristig angelegte Therapiepläne aufzustellen. Wir streben ein Maximum an Mobilität und Lebensqua- lität bei einem Minimum an krankheits- und therapiebe- dingten Komplikationen an.“ Denn kein Parkinson ist wie der andere und die Erkrankung ist bis heute unheilbar. Kein Rückwärtsgang In der Medizin wird zwischen vier unterschiedlichen Formen des Parkinson-Syndroms unterschieden: dem idiopathischen Parkinson-Syndrom ohne genetische Ursache, der vererbbaren Form, den symptomatischen, also sekundären Varianten mit beispielsweise medika- mentösen oder vaskulären Auslösern und dem atypi- schen Parkinson-Syndrom, das von zusätzlichen Ausfällen begleitet wird. In 75 bis 85 Prozent aller Fälle liegt ein idiopathisches Parkinson-Syndrom vor – eines, das sich unerwartet anschleicht und dann nicht mehr aufzuhalten ist. „Deshalb ist eine frühe Diagnose beson- ders wichtig“, betont Prof. Winkler. „Betroffene, bei denen die Krankheit rechtzeitig erkannt wird, haben dank unserer heutigen Therapieoptionen eine vergleichbar hohe Lebenserwartung wie gesunde Gleichaltrige. Je weiter der Parkinson allerdings fort- schreitet, desto schwerer wiegen die Bewegungsbeein- trächtigungen und schränken die Behandlungsmöglich- keiten immer weiter ein.“ Denn Parkinson kennt keinen Rückwärtsgang: Beim idiopathischen Parkinson-Syn- drom sterben Nervenzellen ab, die Dopamin produ- zieren. Dies geschieht über viele Jahre und bleibt zunächst unbemerkt. Erst, wenn deutlich über die Hälfte dieser Neurone ihre Funktion eingebüßt haben, ist der Dopaminmangel so groß, dass der Betroffene oder sein Umfeld erste Symptome wahrnehmen. „Diese Anzei- chen sind allerdings alles andere als eindeutig“, weiß Dr. Zacharias Kohl, Arzt der Molekularen Neurologie des Uni-Klinikums Erlangen, „meist fühlen sich die Patienten schwach und klagen über Gleichgewichtsstörungen.“ Um einen Morbus Parkinson sicher zu diagnostizieren, führen die Ärzte eine detaillierte Anamnese sowie eine eingehende klinische Untersuchung durch. ► Er schleicht sich an, schreitet unaufhaltsam fort und schränkt das Leben schließlich spürbar ein: der Par- kinson. Stoppen lässt er sich nicht, aber verzögern. Langsam, aber sicher UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN | 33

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