Jahresbericht 2015 | 2016: Medizin. Menschen. Momente.

U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 5 | 2 0 1 6 27 H E L F E N H E I L E N ila Su, ein Fuß- und ein Handab- druck in Gips. In einem von zwei goldenen Rahmen, im Flur der Eltern. Seit ihrer Geburt vor 18 Wochen hat das kleine Mäd- chen Spuren hinterlassen – sichtbare und unsichtbare. Behutsam wiegt Derya S. ihre Tochter im Arm, streichelt ihren Kopf und hält mit einer Hand den Schnuller fest, damit er nicht wieder zu Boden fällt. „Sie kann blei- ben, solange sie will“, sagt die Mutter und lächelt. „Von mir aus für immer.“ Doch Dila Su wird gehen – vielleicht schon bald. „Wann genau es so weit ist, wissen wir nicht. Das entscheidet Dila Su“, sagt die Kinder- ärztin und Palliativmedizinerin Dr. Chara Gravou-Apostolatou. „Schon einige Male haben wir geglaubt, sie verlässt uns. Wir haben die Eltern auf den Abschied im Kreis der Familie vorbereitet, mit ihnen die türkische Beerdi- gung, die sie sich wünschen, besprochen. Dann kam Dila Su zurück.“ Das kleine Mäd- chen hat Trisomie 16, eine Form der Genom- mutation, bei der das Chromosom 16 in den Körperzellen drei- statt zweifach vorkommt. Ein häu fi ges Symptom der Erkrankung sind schwere multiple Herzfehler. An einem solchen leidet auch Dila Su. Sie soll nicht zuviel husten und nicht zu lange weinen, weil das das kleine Herz zu sehr anstrengt. Zur Linderung der Schmerzen bekommt Dila Su Morphin, zusätzlich das Schlafmittel Chloral- hydrat. Beide Mittel verabreicht ihr die Mutter, die jeden Tag bei ihrer Tochter zu Hause bleibt. Bei Fragen zur Dosierung der Medi- kamente und zu ungewöhnlichen Symptomen der Kleinen kann sich Derya S. 24 Stunden täglich an das Kinderpalliativteam der Kinder- und Jugendklinik (Direktor: Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Rascher) des Uni-Klinikums Erlangen wenden, das von Chara Gravou-Apostolatou geleitet wird. Die 2010 ins Leben gerufene Gruppe nennt sich auch SAPPV-Team, weil sie eine spezia- lisierte ambulante pädiatrische Palliativversor- gung anbietet. Zum Team gehören Kinderärzte und -p fl egekräfte, eine Sozialpädagogin, eine Seelsorgerin und ein Psychologe. Gemeinsam betreuen sie sterbenskranke Kinder und Jugendliche in ganz Ober- und Mittelfranken – von Ansbach bis Hof, von Steinbach am Wald bis nach Gunzenhausen. Unterwegs sind die Kinderpalliativme- diziner momen- tan noch mit zwei spenden fi nanzierten „Autos der guten Wünsche“, die zusammen über 160.000 Kilometer auf dem Tacho ha- ben. Bald kommt ein drittes Fahrzeug dazu. „Im Augenblick betreuen wir 25 Pa- tienten“, sagt Chara Gravou-Apostolatou. Manche sind gerade wenige Monate alt, andere im jungen Er- wachsenenalter. Die meisten haben unheil- bare Krebs- oder Herzerkrankungen, Muko- viszidose oder Genommutationen. Das Kinderpalliativteam berät niedergelassene Kinder- und Hausärzte, ambulante P fl ege- dienste und vor allem die Eltern der erkrank- ten Kinder. Es unterstützt in akuten Krisen, ist Ansprechpartner für sozialrechtliche und fi nanzielle Fragen und führt Nachgespräche. „Wir begleiten das Leben, nicht das Sterben. Die Eltern und ihr Kind sollen in der verbleibenden Zeit nicht allein sein und die beste Lebensqualität erfahren, die möglich ist. Ohne Angst zu haben, etwas falsch zu machen.“ Dr. Chara Gravou-Apostolatou, Leiterin des Kinderpalliativteams Derya S. hält ihre jüngste Tochter im Arm. Seit ihrer sechsten Lebens- woche wird die kleine Dila Su palliativmedizi- nisch versorgt. D

RkJQdWJsaXNoZXIy ODIyMTAw