Jahresbericht 2015 | 2016: Medizin. Menschen. Momente.

U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 5 | 2 0 1 6 39 H E L F E N H E I L E N aum ein Epileptiker kommt ohne Medikamente aus. „Doch ein Drittel der Erkrankten ist auch medikamentös nicht zufrie- denstellend behandelbar“, weiß Prof. Dr. Karl Rössler von der Neurochirur- gischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Michael Buch- felder) des Uni-Klinikums Erlangen. Für diese Betroffenen ist ein neurochirurgischer Eingriff die letzte Chance: darauf, dass das Gewitter im Gehirn, das oft ohne Vorwarnung über ihr Privat- und Berufsleben hereinbricht, endlich vorüberzieht. „Nach einer Operation sind 50 bis 80 Prozent dieser Patienten anfallsfrei“, sagt Prof. Rössler, der die Arbeits- gruppe Epilepsiechirurgie leitet. OPERIEREN: JA ODER NEIN? Die Entscheidung über eine Operation fällen die Neurochirurgen gemeinsam mit den Neurologen, Psychologen, Neuroradiologen und Neuropädiatern in einer interdiszipli- nären Epilepsiekonferenz. „Eine OP ist nur möglich, wenn die Anfälle von einem klar abgrenzbaren Herd im Gehirn ausgehen“, er- klärt Prof. Rössler. „Und: Die epileptogene Zone darf nicht innerhalb von Funktionsare- alen wie dem Sprach-, dem Bewegungs- oder dem Gedächtniszentrum liegen.“ Um das Anfallsareal genau zu lokalisieren, ist eine aufwendige präoperative Diagnostik nötig. Zunächst messen die Experten des Epilepsie- zentrums (Leiter: Prof. Dr. Hajo Hamer) der Neurologischen Klinik, mit dem die Neuro- chirurgen eng zusammenarbeiten, die Hirn- ströme des Patienten mittels Elektroenze- phalogra fi e (EEG). Noch umfangreichere Daten liefert das anschließende Video-EEG-Moni- toring: Dabei wird das Anfallsgeschehen über Tage oder Wochen hinweg stationär aufge- zeichnet – per Hirnstrommessung bei gleich- zeitiger Videoaufnahme. Hochau fl ösende bildgebende Diagnostik wie die Magnetreso- nanztomogra fi e und die Spektroskopie so- wie nuklearmedizinische Verfahren unter- stützen die Suche nach dem Anfallszentrum. „Reicht diese Diagnostik nicht aus, führen wir ein invasives Monitoring mit implantierten Streifen-, Platten- oder Tiefenelektroden durch, um den Anfallsursprung zu fi nden“, er- läutert Prof. Rössler. Ist der betroffene Hirn- lappen identi fi ziert, kann der epileptogene Herd mikrochirurgisch entfernt werden. Um den Erfolg der Resektion zu überprüfen und wichtige Hirnfunktionen zu schützen, nutzen die Ärzte die intraoperative und die funktio- nelle Magnetresonanztomogra fi e in Verbin- dung mit der sogenannten Neuronavigation. Diese erlaubt es dem Operateur, sich „im“ Ge- hirn des Patienten räumlich zu orientieren. Die zu entfernende Läsion und die Funktions- areale des Gehirns hat der Chirurg immer gleichzeitig im Blick. Bei der Diskonnektion, einem weiteren epilep- siechirurgischen Verfahren, werden Nerven- bahnen gezielt durchtrennt. Dies soll ver- hindern, dass sich die epileptische Erregung von einer auf die andere Hemisphäre des Gehirns ausbreitet. Auch ein unter dem linken Schlüsselbein implantierter Vagusnervsti- mulator kann die Epilepsie eindämmen: Er generiert elektrische Impulse, die den Nervus vagus im Halsbereich des Patienten stimu- lieren und dadurch die Nervenzellaktivität des gesamten Gehirns modulieren. „Damit können wir auch den Patienten helfen, deren Anfälle von mehreren oder nicht eingrenz- baren Herden ausgehen“, sagt Prof. Rössler. K OP-Planung. Klinikdirektor Prof. Buchfelder (r.) und der leitende Oberarzt Prof. Rössler bei OP- Vorbereitungen im Vorraum der „BrainSuite“ der Neurochirurgie. Hier steht ein hochau fl ösendes 1,5-Tesla-MRT zur Verfügung. Epilepsie heilen, Funktionsareale erhalten. Die intra- operativen MR-Bilder zeigen, dass der Tumor (rot), der die epilep- tischen Anfälle auslöste, entfernt wurde. Violett eingefärbt ist die um- liegende Sprachbahn, grün das Sprachareal und gelb die Grenze zwischen Motorik- und Gefühlsareal. FM

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