Jahresbericht 2015 | 2016: Medizin. Menschen. Momente.
„Zum anderen galt es, ein Rätsel zu lösen.“ PD Dr. Richard Strauß, Leiter des Schwerpunkts Intensiv- medizin und Klinische Infektiologie U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 5 | 2 0 1 6 55 H E L F E N H E I L E N tion“, erläutert Dr. Meyer. „Nur so hatte der Patient die Chance, den langen Transport zu überleben.“ Diese Reise war für die Erlanger Experten ein wahrer Kraftakt: 21 Stunden verbrachten sie in einem medizinisch auf höchstem Niveau ausgestatteten Kurzstre- cken-Flugzeug, das dreimal zum Auftanken zwischenladen musste. „Wir blieben natürlich alle wach und kümmerten uns um den Pati- enten“, berichtet Dr. Rieß. „Unterwegs ent- wickelte sich das Nierenversagen zum lebens- bedrohlichen Problem, und so führten wir über den Wolken noch ein Ersatzverfahren durch.“ Entsprechend groß war die Erleichte- rung, als die Maschine endlich in Nürnberg landete und Andreas M. mit einem Intensiv- transport des Malteser Hilfsdiensts ins Uni- Klinikum Erlangen gebracht werden konnte. Dort war man bestens auf den Fall vorbereitet, stand PD Dr. Richard Strauß doch schon von Anfang an in engem Kontakt mit Dr. Meyer. „Zum einen schlossen wir den Patienten sofort an die Geräte der Intensivstation an, um die mobile Herz-Lungen-Maschine für den nächsten Einsatz freizumachen“, erklärt der stellvertretende Direktor der Medizin 1 und Leiter des Schwerpunkts Intensivmedizin und Klinische Infektiologie. „Zum anderen galt es, ein Rätsel zu lösen: Vor uns lag ein Mensch mit Multiorganver- sagen, der sich im künstlichen Koma befand, dessen Krankheitsursache unklar war und dessen bisherige Therapie wir nicht im Detail kannten.“ Das Team ließ Andreas M. langsam erwachen und konnte schritt- weise die Ersatzverfahren und die Beatmung beenden. Ein Erreger ließ sich allerdings nicht ausmachen. Die Ärzte vermuten, dass sich der Oberbayer eine schwere Infektion zu- gezogen hatte, die eskalierte. Kurz vor der Verlegung in die Rehabilitations- einrichtung hatte PD Strauß seinem Patien- ten noch Mut zugesprochen: „Ich gehe fest davon aus, dass Sie in ein paar Wochen wieder auf den Beinen sind und keine blei- benden Schäden davontragen.“ Und tat- sächlich: „Die drei Wochen haben richtig gut getan“, sagt der selbstständige Hand- werker heute. „Für den Alltag und das Ge- schäft hat’s zwar noch nicht ganz gereicht, aber ich gehe nun ins Fitnessstudio, um weitere Muskeln wieder aufzubauen.“ Dem Erlanger Team ist er zutiefst dankbar – eben- so wie seinen drei Schwestern, die damals alle Hebel in Bewegung setzten, um das Leben ihres Bruders zu retten. DAS PERFEKTE SETTING Die enge Kooperation mit dem ADAC-Ambu- lance-Service und die ausgezeichnete interdisziplinäre Zusammenarbeit seien ein echtes Alleinstellungsmerkmal des Uni-Klini- kums Erlangen, darin sind sich alle an der Aktion Beteiligten einig. Etwa dreimal im Jahr klingelt das Handy von Dr. Meyer und löst eine solche Rettungskette aus. „Sofern möglich, bringen wir die Patienten immer nach Erlangen“, erklärt der Facharzt. „Denn der Weg vom Flughafen ans Uni-Klinikum ist kurz, das Transportteam ist zurück an seinem Arbeitsplatz und der Patient auf einer hochmodernen Intensivstation. Kurz gesagt: Hier haben wir das perfekte Setting.“ Gut drei Monate nach seiner Entlas- sung aus dem Uni-Klinikum Erlangen lebt und arbeitet Andreas M. wieder in seiner Heimat. Im August 2016 hat er zehn Tage Urlaub, doch verreisen wird er nicht: „Die Ärzte haben mir ein Jahr Flug-Pause verordnet“, sagt der Oberbayer und lacht: „Nach Mexiko will ich allerdings auch kein zweites Mal.“ BM 8.774 km lang ist die Luftlinie von Cancún nach Erlangen.
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