Jahresbericht 2016 | 2017: Medizin. Menschen. Momente.

U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 6 | 2 0 17 22 U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 6 | 2 0 17 23 H E L F E N H E I L E N H E L F E N H E I L E N o eine Diagnose ist eigentlich nicht auszuhalten.“ Prof. Dr. Robert Grützmann, Direktor der Chirurgischen Klinik des Uni-Klinikums Erlangen, spricht über seine Patientin Carolin B. An- fang 2016 stellten die Erlanger Chirurgen bei ihr ein Sigmakarzinom fest – einen bös- artigen Tumor, dort, wo der Dickdarm im lin- ken Unterbauch eine leichte S-Kurve macht. Über die Blutgefäße gelangten die Krebszel- len in die Leber und ließen auch dort eine Geschwulst wachsen: 15 Zentimeter groß – ein kleiner Handball. Zum Zeitpunkt der Dia- gnose war Carolin B. 35 Jahre alt – und im siebten Monat schwanger. Nur rund zehn Prozent der Darmkrebspatien- ten erkranken vor dem 55. Lebensjahr, der Großteil ist 70 Jahre alt oder älter. Die Wahr- scheinlichkeit, dass sich im Körper einer 35-jährigen Schwangeren ein Krebsgeschwür bildet, liegt bei höchstens 1 zu 10.000. „Ich hatte Schmerzen in der Schulter, verlor Ge- wicht und litt unter Nachtschweiß“, erinnert sich Carolin B. Sie dachte: „Das bringt die Schwangerschaft eben mit sich.“ Heute weiß sie: Es war der Krebs. DAS LEBEN DES KINDES Der primäre Tumor im Darm war für den Fötus in Carolin B.s Bauch nicht gefährlich. Der Mutterkuchen schützte das Kind vor den Krebszellen. Wohl aber bedrohte die Er- krankung Carolin B.s eigenes Leben. Ein Team um Prof. Grützmann entwarf deshalb eine komplexe Therapiestrategie. In einer Tumorkonferenz berieten Chirurgen zusam- men mit Gynäkologen, Gastroenterologen, internistischen Onkologen, Radiologen, Pathologen und Ärzten der Strahlenklinik und der Nuklearmedizin darüber, wie sie zwei Leben retten können. Eine sechswöchige Chemotherapie sollte das Darmkarzinom zunächst schrumpfen und es daran hindern, sich weiter auszubrei- ten. „Wir wählten ein Medikament, das den Fötus minimal belastet und das Karzinom maximal eindämmt“, erklärt Robert Grütz- mann. Trotzdem: Mit der Entbindung bis zum errechneten Geburtstermin zu warten, war zu riskant. „Der aktive Stoffwechsel und die Hormone einer Schwangeren beschleunigen das Tumorwachstum.“ Sobald klar war, dass das Neugeborene spontan atmen würde, sollte es per Kaiserschnitt zur Welt kommen. „S „Ich weiß nicht, wo Sie diese Energie her- nehmen“, bewundert Robert Grützmann seine Patientin. Die letzten Monate waren psychisch und körper- lich anstrengend für Carolin B. Dennoch: Die Tumoren in Dickdarm und Leber wurden erfolgreich entfernt. Prof. Dr. Robert Grützmann (r.) ist auf komplexe Tumoroperationen, vor allem an Leber, Bauchspeicheldrüse und Darm, spezialisiert. Seiner Patientin Carolin B. entfernte der Chirurg gleich zwei große Krebsgeschwüre. Zwischen den Tumorbehandlungen brachte sie einen gesunden Sohn zur Welt. Carolin B. freut sich auf ihr zweites Kind. Doch am Ende der Schwangerschaft trifft diese Vorfreude auf ein anderes Gefühl: Angst. Im Körper der werdenden Mutter hat sich eine lebensbedrohliche Krankheit ausgebreitet. Ein interdis- ziplinäres Team um Prof. Dr. Robert Grützmann entwickelt einen Therapieplan, der zwei Leben retten soll. DIE SELTENE BEGEGNUNG VON FREUDE UND ANGST 15 cm groß war die Hauptme- tastase in Carolin B.s Leber vor der Chemo- therapie. „ Ohne die Schwangerschaft und die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen wäre der Krebs erst viel später aufge- fallen – wahrscheinlich zu spät.“ Carolin B., Patientin

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