Jahresbericht 2016 | 2017: Medizin. Menschen. Momente.

Film über die Operationstechniken der Chirurgischen Klinik: www.uk-erlangen.de/presse/ gesundheits-tv/operationstechniken/ U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 6 | 2 0 17 24 U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 6 | 2 0 17 25 H E L F E N H E I L E N H E L F E N H E I L E N schen Spitzenzentrums wird schwerpunkt- mäßig auch zu Dick- und Enddarmkrebs geforscht. Wie lässt sich Darmkrebs noch früher erkennen? Welche Therapie ist im Einzelfall die beste? Wie wirken Strah- len- und Chemotherapie zusammen? Wie lassen sich Nebenwirkungen minimieren? „Aus aktuellen Studien leiten wir die bes- ten Therapieempfehlungen für unsere Patienten ab“, sagt Prof. Grützmann. „Die fachübergreifende Behandlung in einem spezialisierten Darmkrebszentrum erhöht die Chancen, die Krankheit zu überleben.“ DER ANSATZ: MULTIMODAL Aus dem operativen Instrumentarium der Chirurgie wählen die Ärzte dasjenige Ver- fahren aus, das am besten zum Patienten passt – von der offenen Laparotomie bis zu Eingriffen mit dem Da-Vinci-OP-Roboter. „Wir operieren heute deutlich öfter minimalinvasiv durchs ‚Schlüsselloch‘ – also über kleine Schnitte, durch die wir die Instrumente ein- führen.“ Das bedeutet: schnellere Heilung, seltenere Wundinfektionen, kürzere Verweil- dauer im Krankenhaus. Das bedeutet nicht: Die minimalinvasive Chirurgie erzielt per se bessere Ergebnisse und ist das Mittel der Wahl für jeden, der operiert werden muss. Bei Carolin B. gab es allein wegen des Kaiser- schnitts einen offenen Zugang zur Bauchhöh- le. Über diesen Weg konnten Prof. Grützmann und sein Team das Sigmakarzinom vollstän- dig entfernen. Die Behandlung war damit aber nicht zu Ende. Es folgte eine weitere Chemo, die aggressiver war als die erste: Ca- rolin B. bekam Akne und war chronisch mü- de, sie nahm 37 Kilo ab. Angehörige und eine Haushaltshilfe regelten den Alltag zu Hause. Das neue Krebsmedikament sollte die Leber- metastasen schrumpfen, die der Dickdarm- tumor hervorgerufen hatte. Tatsächlich ver- kleinerte sich die Hauptmetastase in der Leber von Handball- auf Golfballgröße. Im Sommer 2016 verödete Prof. Dr. Michael Uder, Direktor des Radiologischen Instituts, das verbleibende Metastasengewebe mit einer stromdurchflossenen, stark erhitzten Sonde. Es folgten: wieder Chemo, parallel Bestrahlung, und im Januar 2017 eine ab- schließende Leberresektion. „Weil der Tumor sehr zentral lag, haben wir insgesamt 60 Prozent der Leber entfernt“, sagt Robert Grützmann. Carolin B. ertrug das alles mit Zuversicht, ohne je das Schlimmste anzunehmen. „Mein Sohn Simon hat mir das Leben gerettet“ – so sieht sie es. „Ohne die Schwanger- schaft und die regelmäßigen Vorsorgeunter- suchungen wäre der Krebs erst viel später aufgefallen – wahrscheinlich zu spät.“ Dass es ihrem Kleinsten und dem älteren Sohn Paul gut geht – das ist alles, was die heute 37-Jährige will. Sie hofft, dass der Krebs nie zurückkehrt. Sie hofft es für das Leben ihrer Kinder. Und für ihr eigenes. „Ich sah ihn nur kurz – und musste weinen“, erinnert sich seine Mutter. Und wieder kom- men ihr die Tränen. „Papa passt jetzt auf dich auf, ich bleibe noch hier“, flüsterte sie ihrem zweiten Sohn nach, als die Hebamme ihn zur Erstuntersuchung in die Kinderklinik brachte. DAS LEBEN DER MUTTER In Vorbereitung auf die bevorstehende Voll- narkose legte ein Anästhesist Carolin B. eine Sauerstoffmaske über Mund und Nase. „Die roch so gut nach Erdbeere“, ist das Letzte, woran sich die junge Frau erinnert. Die Re- sektion des Sigmakarzinoms dauerte drei Stunden. „Das Kind war nicht mehr im Mut- terleib, die vergrößerte Gebärmutter nahm aber noch viel Platz ein, und das Gewebe war stark durchblutet“, beschreibt Prof. Grützmann den anspruchsvollen Eingriff. Der dreifache Facharzt für Chirurgie, Gefäß- chirurgie und Viszeralchirurgie ist Experte für große, komplizierte Tumoroperationen des Verdauungstraktes und des Darms. Seit Okto- ber 2015 leitet er die Chirurgie des Uni-Klini- kums Erlangen und ist Sprecher des hiesigen Darmkrebs- und Pankreaskarzinomzentrums. Das Darmkrebszentrum ist eingebettet in das Comprehensive Cancer Center Erlan- gen-EMN. Unter dem Dach dieses onkologi- Es war der 1. März 2016. Der Tag, an dem ein Eingriff auf dem OP-Plan der Chirurgi- schen Klinik stand, der so noch nie statt- gefunden hatte und der das ganze Haus in Aufregung versetzte. „Ich werde nie ver- gessen, wie ich im OP lag und nach draußen auf die anderen Gebäude geschaut habe“, sagt Carolin B., „die Stimmen der vielen Ärzte und Schwestern um mich herum, mit denen ich noch gescherzt habe, die Hebamme, die noch einmal die Herztöne meines Babys aufzeich- nete. So was be- kommt man doch normalerweise gar nicht mehr mit, wenn sie einen in den OP schieben.“ Die werdende Mutter war wach. Nur den unteren Teil ihres Körpers hatten die Anästhesisten mit der bei Kaiser- schnitten üblichen Spinalanästhesie betäubt. Ihr Mann war bei ihr im OP – eine absolute Ausnahmeregelung. Prof. Dr. Matthias W. Beckmann, Direktor der Erlanger Frauenkli- nik, holte Simon auf die Welt – vier Wochen zu früh, 2.170 Gramm leicht und: gesund. Ihr Lachen und ihre positi- ve Einstellung hat Carolin B. trotz aller Strapazen nicht verloren: „Mein Sohn Simon ist gesund“, freut sie sich. „Inzwischen haben wir sogar schon seinen ersten Geburtstag gefeiert.“ In einem interdisziplinären Tumorboard entschieden Spezialisten verschiedener Fachrichtungen über die bestmögliche Therapie für die krebskranke Patientin. Anwesend waren neben Prof. Grützmann (2. v. r.) auch Prof. Uder (r.) sowie Oberarzt Prof. Dr. Roland Croner (2. v. l.) und Prof. Dr. Jonas Göhl (1. v. l.). FM 60 % von Carolin B.s Leber wurden chirurgisch entfernt. „ Das Kind war nicht mehr im Mutterleib, die vergrößerte Gebärmutter nahm aber noch viel Platz ein, und das Gewe- be war stark durchblutet.“ Prof. Dr. Robert Grützmann, Direktor der Chirurgischen Klinik

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