Jahresbericht 2016 | 2017: Medizin. Menschen. Momente.
U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 6 | 2 0 17 30 U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 6 | 2 0 17 31 H E L F E N H E I L E N H E L F E N H E I L E N Die Diagnose Krebs schnürt einem förmlich die Kehle zu: Überste- he ich das? Was kommt nun alles auf mich zu? Neue Fachbegriffe, diverse Behandlungsschritte und die unbekannte Medizintechnik machen vielen Betroffenen Angst – besonders in der Radioche- motherapie. Ein hochmodernes Gerät der Strahlenklinik nimmt ihnen nun wenigstens einen Teil ihrer Sorgen: Weil VERO alle Körperbewegungen mitmacht, müssen die Patienten nicht mehr angestrengt ihren Atem anhalten – und sie profitieren von einer äußerst präzisen Bestrahlung, die das gesunde Gewebe schont. MIT JEDEM ATEMZUG ch lag da wie im Wald. Ganz ent- spannt. Angst oder Schmerzen hatte ich keine“, erinnert sich Prof. Dr. Hans-Bernhard Wuermeling an seine erste Bestrahlung mit VERO. Bei dem damals 89-Jährigen entdeckten die Ärzte Anfang 2016 ein Leberkarzinom. „Ein Zufallsbefund“, betont der ehemalige Rechts- mediziner, für den das Schicksal gleich eine zweite glückliche Fügung bereithielt: Er ent- schied sich für eine Therapie in der Strahlen- klinik des Uni-Klinikums Erlangen, und diese nahm gerade ein hochmodernes Gerät in Betrieb. So war Hans-Bernhard Wuermeling der erste Patient in Erlangen, der im Rahmen seiner Krebsbehandlung mit VERO bestrahlt wurde. „Der Freistaat Bayern hat die Anschaffung des Geräts als Leuchtturmprojekt gefördert“, berichtet Prof. Dr. Rainer Fietkau, Direktor der Strahlenklinik. „VERO gibt es in Deutschland nur zweimal: hier bei uns und in Rostock. Wir sind froh, dass wir unseren Patienten mit die- ser sehr schonenden Behandlungsmethode die Krebstherapie ein wenig erleichtern können.“ AUF UND AB – HIN UND HER VERO ist ein Gerät zur stereotaktischen Be- strahlung. Dabei wird der Tumor gezielt mit einer sehr hohen Dosis bestrahlt, gleichzeitig aber das umliegende gesunde Gewebe ge- schont. Bisher mussten die Patienten dafür die Luft anhalten, denn mit jeder Atembe- wegung hebt und senkt sich der Brustkorb und damit auch der Tumor. „Es handelt sich zwar nur um einige Millimeter“, verdeutlicht Prof. Dr. Christoph Bert, Leiter der Medizini- schen Strahlenphysik, „aber im Kampf gegen den Krebs ist oft jeder Millimeter entscheidend.“ „I BM VERO eignet sich insbe- sondere zur stereotakti- schen Bestrahlung von Prostatakarzinomen, Lebertumoren und klei- nen Lungentumoren. Die Technik von VERO beruht auf der kardanischen Aufhängung, die erstmals im 16. Jahrhundert vom italienischen Arzt und Mathematiker Gerolamo Car- dano beschrieben wurde. Dabei handelt es sich um eine Vorrichtung, bei der ein Gegenstand – im Fall von VERO der Bestrahlungskopf – innerhalb von drei Ringen so gelagert ist, dass er in jede beliebige Richtung gedreht werden kann. Unbeeinflusst von den Bewe- gungen, die VERO mit dem Körper des Patienten mitmacht, bleibt der Strahl somit immer auf den Tumor gerichtet. Das Neue an VERO: Das Gerät macht alles mit. Die hochmoderne Technik berechnet die Atem- und die daraus resultierenden Körper- bewegungen im Voraus, kann den Tumor so begleiten und ihn in der Bewegung bestrahlen. „Das muss natürlich akribisch vorbereitet werden, und selbstverständlich kontrollieren wir den ganzen Prozess ständig“, versichert Prof. Fietkau. Deshalb zeichnen die Ärzte vor- her zum einen die Atemphasen des Patienten mithilfe eines Computertomografen auf. Zum anderen bringen sie operativ Markierungen in den Tumor ein. „Das sind kleine Goldstifte, die über eine Hohlnadel gesetzt werden“, er- läutert Rainer Fietkau. „Der Patient erhält eine lokale Betäubung, er hat also keine Schmer- zen. Auch die Goldstifte selbst spürt er später nicht.“ Beim ersten VERO-Bestrahlungstermin checkt das Team – ein Facharzt, zwei medizi- nisch-technische Assistenten und ein Physiker – alles noch einmal ganz genau: Ist der Pati- ent exakt gelagert? Sind die Markierungen gut zu sehen? Stimmen die erfassten Daten mit der aktuellen Situation überein? „Das ist aufwendig, und insgesamt handelt es sich um eine der komplexeren Behandlungen“, er- läutert Prof. Bert, „aber es ist eben auch eine exzellente Technik, mit deren Ergebnissen wir sehr zufrieden sind.“ Etwa zehn bis zwölf VERO-Bestrahlungster- mine innerhalb von zwei Wochen benötigen die Patienten in der Regel. So auch Prof. Wuermeling, dessen Leberkarzinom dank der neuen Technik deutlich geschrumpft ist. „Der Tumor ist nicht weg, aber er ist inaktiv“, sagt der heute 90-Jährige. „Ich hatte keinerlei Nebenwirkungen. Die einzige Enttäuschung ist, dass sich bereits Metastasen gebildet hatten.“ Er atmet tief ein – und wieder aus: Auch diesen Kampf wird er führen und auf einen glücklichen Ausgang hoffen. Prof. Fietkau (l.) und Prof. Bert behandeln mit VERO nicht nur Patienten, sie treiben mit dem Gerät auch die Forschung zur bewegungsorientierten Bestrahlung voran. 2 Exemplare von VERO gibt es in Deutschland – 25 weltweit.
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