Jahresbericht 2016 | 2017: Medizin. Menschen. Momente.
Auch wenn das Uni-Klinikum Erlangen, ganz funktional gesehen, ein Ort des Heilens und der Forschung ist, darf eines nicht ver- gessen werden: Es ist immer auch ein Ort der Gefühle. Hoffnung und Freude sind hier genauso zu Hause wie Schmerz und Trauer. Die evangelischen und katholischen Klinikseelsorger sind in die- sen Momenten da – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. DAS LEBEN IST KOSTBAR uhe, Geduld, Empathie und Zu- wendung: Das bieten die Klinik- seelsorger allen Menschen am Uni-Klinikum Erlangen. Ganz gleich, ob für Patienten, Angehö- rige oder Mitarbeiter, ob unter einem religiö- sen Vorzeichen oder bei großen wie kleinen Sorgen – die geschulten Zuhörer sind da. „‚Was braucht es im Moment?‘ – mit dieser Frage gehe ich an ein Gespräch heran“, er- klärt Thomas Schimmel, katholischer Pasto- ralreferent. Sein Kollege, der evangelische Pfarrer Frank Nie, erläutert: „Die Mediziner konzentrieren sich auf die Krankheit des Patienten. Von diesem Defizit gilt es, sich zu entfernen, um eine Heilung zu erreichen. Wir Klinikseelsorger bieten eine wertvolle Er- gänzung an. Wenn wir zu Besuch kommen, dann geht es um den gesamten Menschen, wie er jetzt gerade ist. Denn auch ein Leben im Krankenhaus ist ein ganzes Leben.“ „Grundsätzlich sind die Menschen, mit denen wir sprechen, in sehr schwierigen Situationen“, sagt die evangelische Pfarrerin Kathrin Kaffenberger. „Stellen Sie sich vor, Sie sind krank. Sie werden für Untersuchungen ein- getaktet, von Menschen berührt, die Sie nicht kennen, und stehen vielleicht vor ganz unmöglich wirkenden Entscheidungen. Das ist natürlich ein Schock. Wenn der Arzt und die Pflegekräfte schließlich aus dem Zimmer sind, beginnt die Zeit des Nachdenkens. Dann kommen die Ängste hoch und manch- mal auch der Rückblick auf das eigene Leben.“ Die Pfarrerin lächelt. „Wir holen den Menschen in diesem Moment ab und bie- ten ihm viel Zeit, seine Gefühle auszuspre- chen und ihnen auf diese Weise einen Raum zu geben. Unser großer Vorteil ist außerdem, dass wir von der Kirche geschickt sind. Dank unserer Verschwiegenheitspflicht bleibt das Gesprochene unter uns.“ BEGLEITUNG DER ANGEHÖRIGEN Auch den Menschen, die im Wartebereich zurückbleiben müssen und die manchmal wochenlang am Krankenbett ihrer Lieben ausharren, sind die Klinikseelsorger eine Stütze. „Angehörige fühlen meist eine große Hilflosigkeit, weil sie helfen wollen, es aber nur begrenzt können“, beschreibt Thomas Schimmel. „Hinzu kommen Verlust- ängste, Trauer, Wut und Erschöpfung. Wir versuchen, die- se Gefühle aufzu- fangen und den Leuten bewusst zu machen, dass sie Großartiges leisten.“ Obwohl ihre Arbeit wie eine enorme Last erscheint, haben die Seel- sorger gelernt, mit der emotionalen Nähe umzugehen. „Sehr oft berührt es mich, wie viel Energie ein Mensch aufbringen kann, welche Lebensgeschichten er mit mir teilt und wie wertvoll auch Alltägliches im Leben ist“, erklärt Frank Nie. „Es ist ein großes Privileg, das miterleben zu dürfen.“ Um mit den Klinikseelsorgern zu sprechen, muss der Hilfesuchende nicht religiös sein. „Uns ist es allein wichtig, die Menschen darin zu bestärken, an das Leben zu glauben und zu verstehen, dass es kostbar ist – ob lang oder ganz kurz“, betont Kathrin Kaffenberger. Natürlich aber bekommt der Glaube dort sei- nen Platz, wo es gewünscht wird. „Wir bie- ten Kommunionsfeiern am Krankenbett an, sprechen Segnungen vor Operationen, taufen und gestalten tröstende Abschiedsrituale bei Sterbenden“, erklärt die evangelische Pfar- rerin. „Egal, was gebraucht wird – wir ver- suchen es umzusetzen, um den Menschen genau die Kraft zu geben, die sie brauchen.“ „Mit 14 Hauptamtlichen und 12 Ehrenamtlichen sind wir in Erlangen im bayerischen Vergleich sehr gut mit Klinikseelsorgern aufgestellt“, freut sich Pfarrer Nie. „Dadurch ist es uns möglich, eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung für alle Stationen anzubieten.“ R MS In der Kapelle im Inter- nistischen Zentrum können Patienten, An- gehörige und Mitarbei- ter Ruhe finden und ihre selbst geschriebe- nen Gebete in die Öff- nungen des Altars legen. Dem Leben Gehör schenken In der Kinderklinik spricht die evangelische Pfarrerin Kathrin Kaffenberger (l.) vor allem mit den Eltern, hört ihnen zu, gibt ihnen Kraft. So wie bei Monika F., die täglich auf der Intensiv- station am Bett ihres acht Monate alten Sohnes wacht. U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 6 | 2 0 17 46 U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 6 | 2 0 17 47 L E B E N B E W E G E N L E B E N B E W E G E N „Auch ein Leben im Kranken- haus ist ein ganzes Leben.“ Frank Nie, evangelischer Pfarrer
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