Jahresbericht 2017 | 2018: Medizin. Menschen. Momente.
Ein weiterer Vorteil des Boulderns: Vorkennt- nisse sind nicht nötig und auch Alter sowie die eigene körperliche Konstitution spielen keine Rolle. Daher ist Bouldern auch bestens als Gruppensport geeignet. Für Menschen, die aufgrund ihrer Depression soziale Kon- takte oft meiden oder ganz aufgeben, wirkt sich die Gemeinschaftserfahrung positiv aus. Dabei geht es nicht um einen Leistungsver- gleich innerhalb der Gruppe, sondern darum, Erfahrungen zu sammeln und auch zu lernen, Hilfe anzunehmen. „Wir sitzen alle im selben Boot oder besser gesagt, hängen an dersel- ben Wand“, sagt Franzi, die seit über einem Jahr gegen ihre Depression anklettert. „Da ist es egal, wer schneller oben ist oder die schwierigere Route bewältigt. Wir unterstüt- zen uns gegenseitig, indem wir den Kletterer sichern oder ihm sagen, wo der nächste Griff ist. Und wir freuen uns, wenn einer seine Route geschafft hat. Die Dynamik der Gruppe und der Austausch geben mir viel Kraft.“ FIT AN DER WAND – FIT IM ALLTAG Zwischen dem Bouldern und dem Leben las- sen sich viele Parallelen finden: So ist man in beiden Fällen mit Herausforderungen kon- frontiert, lernt seine Grenzen kennen, muss Strategien entwickeln, kann über sich hi- nauswachsen und vom Wissen anderer pro- fitieren – oder seine eigenen Wege gehen. Auch der Umgang mit Fort- und Rückschrit- ten gehört dazu. Die Teilnehmer der Boulder- Therapie erfahren, selbstwirksam zu handeln und erleben soziale Interaktionen. „Die Er- kenntnisse, die ich beim Bouldern gewinne, kann ich gut auf meinen Alltag übertragen. Ich lerne zum Beispiel, mir realistische Ziele zu setzen und diese Schritt für Schritt zu erreichen“, betont Franzi. „Die Erfolge sehe ich beim Klettern direkt. Das gibt mir Selbst- vertrauen. Wenn ich im Leben vor einem Problem stehe, überlege ich mir inzwischen oft, wie ich das beim Bouldern angehen würde, und finde dann schnell eine Lösung.“ Mit festem Griff und mit einem strahlenden Lächeln schafft Franzi die Boulder-Route in kürzester Zeit. U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 17 | 2 0 1 8 18 L E B E N B E W E G E N „Die bisherigen Resul- tate aus der Pilotstudie zeigen, dass die Teilneh- mer, die bouldern, deutliche Fortschritte machen und sich eine Depression mit mittel- schwerer Symptomatik auf eine milde Ausprä- gung reduzieren kann.“ PD Dr. Katharina Luttenberger, Psychologin
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