Jahresbericht 2017 | 2018: Medizin. Menschen. Momente.
F O R S C H E N L E H R E N er menschliche Körper ist ein Regenerationstalent. Gebro- chene Knochen heilen wieder und kleine Wunden wachsen zu. Das Blut erneuert sich alle 120 Tage, die Epithelschicht des Darms sogar einmal pro Woche. Und das Herz? Das tanzt aus der Reihe, denn: Die Herzmuskelzellen des Menschen bleiben stets die gleichen. Ein Leben lang wachsen und altern sie mit ihm, teilen und regenerieren sich aber nicht. Umso fataler sind daher Verletzungen dieses lebenswichtigen Organs. Ein Herz- infarkt etwa lässt fünf bis 30 Prozent der Herzmuskelzellen absterben – unwieder- bringlich. Der Patient muss versuchen, mit diesem beschädigten Herzen weiterzuleben. Er hat sich der Erforschung dieses Phäno- mens verschrieben: Prof. Dr. Felix Engel, Inhaber der Professur für Experimentelle Nieren- und Kreislaufforschung in der Neph- ropathologischen Abteilung (Leiterin: Prof. Dr. Kerstin Amann) des Uni-Klinikums Erlangen. Seit zwanzig Jahren forscht der gebürtige Berliner nach einem Weg, menschliche Herz- muskelzellen doch zur Teilung anzuregen. Im Fokus seiner Arbeit steht ein ungewöhnliches Tier: der Zebrafisch. „Dessen Herz heilt näm - lich sehr wohl von allein“, erklärt Prof. Engel. „Lange wussten wir nicht, was bei ihm anders ist als bei uns Menschen. 2015 aber fanden wir heraus: Einen entscheidenden Unter- schied macht das Zentrosom.“ Dieses Zell- organell sorgt für die erforderliche Spaltung des Zellkerns, der die Erbinformationen enthält. „In Herzmuskelzellen von Säugern wie dem Menschen zerfällt das Zentro- som kurz nach der Geburt, während es bei Zebrafischen intakt bleibt“, sagt Felix Engel. „Seit dieser Erkenntnis konzen- trieren wir uns auf eine Frage: Wie kön- nen wir dem Zebrafisch – zumindest in dieser Hinsicht – ähnlicher werden?“ JAHRELANGER GEGENWIND Der Weg, den Prof. Engel hinter sich hat, war nicht immer leicht. „Ich bin nicht der Erste, der sich dem Rätsel der Herzregene- ration widmet“, erklärt er. Viele Forscher vor ihm hatten sich an dem Thema schon die Zähne ausgebissen. Seine Ideen hielten sie daher für undurch- führbar. „Mein Glück war schließlich der große Enthusiasmus der Amerikaner für komplizierte Themen“, sagt Felix Engel lächelnd. An der US-ameri- kanischen Harvard Medical School gelingt ihm 2005 die Sensation: Durch die medi- kamentöse Stimulation und die Manipula- tion bestimmter Signalwege erreicht er die vollständige Teilung von Herzmuskelzellen – der Beweis, dass es möglich ist. Von da an ging es bergauf, und seit 2012 arbeitet der Biotechnologe im Translational Re- search Center des Uni-Klinikums Erlangen. D U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 17 | 2 0 1 8 27 F O R S C H L E H R E N „ Wie können wir dem Zebra- fisch ähnlicher werden?“ Prof. Dr. Felix Engel, Inhaber der Professur für Experimentelle Nieren- und Kreislaufforschung Prof. Dr. Felix Engel war der erste Wis- senschaftler, der nachweisen konnte, dass Herzmuskel- zellen von Säugern zur selbstständigen Teilung fähig sind. Für seine Publika- tion erhielt er 2006 den Sofja-Kova- levskaja-Preis der Alexander-von-Hum- boldt-Stiftung.
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