Jahresbericht 2017 | 2018: Medizin. Menschen. Momente.

EDA1 allein genügte aber nicht. Es brauchte ein Vehikel, um das Protein im „Huckepack- verfahren“ in den kindlichen Organismus zu transportieren. „Hierfür nutzen wir die so- genannte Fc-Komponente – einen Bestand- teil menschlicher Antikörper“, erklärt Prof. Schneider. „Die Föten schlucken das Frucht- wasser mit dem darin enthaltenen Fc-EDA1. Spezielle Rezeptoren im Darm des Kindes fischen dann aus der getrunkenen Flüssigkeit alles heraus, was die Fc-Komponente ent- hält. So gelangt auch das EDA1-Protein – der eigentliche Wirkstoff – wie ein mütterlicher Antikörper über den Darm des Kindes in dessen Blutkreislauf.“ WIE GESUNDE KINDER Bei allen drei behandelten Kindern bildeten sich dank der Proteininjektion Schweißdrüsen und zusätzliche Zahnanlagen. „Ein paar Wochen nach der Geburt merkten wir, dass sich die Haut der Zwillinge ganz normal an- fühlte. Später entdeckten wir Schweißtropfen: im Nacken, auf der Stirn, auf der Nase“, be- gezeigt, dass wir nach der Geburt die Ent- wicklung von Schweißdrüsen nicht mehr be- einflussen können. Unsere Schlussfolgerung war: Die Behandlung muss im Bauch der Schwangeren erfolgen – sonst ist es zu spät“, erläutert Holm Schneider. Im Rahmen ihres erfolgreichen Heilversuchs injizierten Prof. Schneider und PD Faschingbauer also ein Ersatzprotein in die Gebärmutter von Corinna T.: genau in die beiden Fruchtblasen der Zwillinge – jeweils in der 26. Schwangerschafts- woche, ein zweites Mal 39 Tage später. Einen weiteren Jungen von anderen Eltern behan- delten die Erlanger Ärzte nur einmal: in der 26. Schwangerschaftswoche. Unter Ultraschall- kontrolle spritzte PD Faschingbauer jeweils 15 Milliliter des Medikaments vorsichtig in die mit Flüssigkeit gefüllte Fruchtblase, ohne den Fötus zu berühren. „Das Ersatzprotein würde über den Blutkreislauf der Mutter nicht in den Körper des Kindes gelangen, weil es die Plazentaschranke nicht überwindet“, er- klärt Prof. Schneider. „Eine vielversprechen- de Möglichkeit, dass EDA1 den Fötus erreicht, war deshalb die direkte Gabe ins Fruchtwasser.“ Joshua und seine zwei kleinen Brüder: Allen drei Jungen sieht man die Ektodermale Dysplasie an. Doch die Zwillinge haben schon jetzt mehr Zähne und können ihre Körpertem- peratur problemlos regulieren. „ Unsere Schlussfolgerung war: Die Behandlung muss im Bauch der Schwangeren erfolgen – sonst ist es zu spät.“ Prof. Dr. Holm Schneider, Sprecher des Zentrums für Ektodermale Dysplasien Erlangen 19 Nur vereinzelt vor- handene Zähne sind ein Hauptmerkmal der Ektodermalen Dysplasie. Ab der 19. Schwangerschaftswo- che kann ihre Anzahl im Kiefer des Fötus ausgezählt werden. Fehlende Zähne müs- sen über Jahre hin- weg durch Prothesen und später durch Implantate ersetzt werden. U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 17 | 2 0 1 8 6 H E L F E N H E I L E N

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