Jahresbericht 2018 | 2019: Medizin. Menschen. Momente.

allo, mein geliebter Mann, ich bin es, deine Anja. Atme tief ein und aus. Du hattest einen Schlaganfall. Atme ruhig weiter. Jetzt bist du im Uni-Klinikum Erlangen. Atme tief ein und aus …“ – Die Stimme der 42-jährigen Ehefrau des Komapatienten auf der Neuro-Intensiv- station ist hörbar bewegt, doch sie spricht ruhig und gefasst in das Aufnahmegerät. Noch heute Abend werden ihre liebevollen Worte über Kopfhörer ihrem Mann dabei helfen, schrittweise zu seiner selbststän- digen Atmung zurückzufinden. Die Idee, Komapatienten beim allmählichen Ent- wöhnen von der Beatmungsmaschine, dem sogenannten Weaning, durch die Stimmen ihrer Angehörigen begleiten zu lassen, kam Lisa Dietmar und Jana Ruppel während eines Nachtdienstes. Unter der Konzeption und Betreuung von Fachkrankenpfleger Tobias Heckelsmüller entwickelten die bei- den angehenden Fachkrankenpflegerinnen für Intensivpflege und Anästhesie die fünf - monatige Pilotstudie „Vertraute Stimmen“ als Abschluss ihrer Fachweiterbildung für Intensivpflege. „Wir wollten herausfinden, ob wir durch die aufgenommenen Angehöri- genstimmen die Zeit der Beatmungsent- wöhnung verkürzen können“, erklärt Lisa Dietmar den Ansatz des innovativen Projekts von Tobias Heckelsmüller. DEUTLICH KÜRZERES WEANING Für ihre Facharbeit erhielten Lisa Dietmar und Jana Ruppel nicht nur sehr gute Ab- schlussnoten. Die Studie der drei Fachkran- kenpfleger wurde auch mehrfach aus- „H gezeichnet, zum Beispiel mit dem renom- mierten Pflegepreis der Deutschen Gesell - schaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin und dem Erlanger Medizinpreis. Ihre Ergeb- nisse belegen eindrucksvoll, wie positiv die vertrauten Stimmen der Angehörigen das Weaning bei Intensivpatienten beeinflussen können: „Bei allen 20 Studienteilnehmern konnten wir die Dauer der Beatmungsent- wöhnung maßgeblich verkürzen. Sie benötig- ten durchschnittlich nur 76 Stunden, um eine 50-prozentige Spontanatmung aus eigener Kraft zu erreichen. Die Kontrollgruppe ohne auditive Stimulanz durch die Angehörigen be- nötigte dafür im Schnitt 126 Stunden“, fasst Tobias Heckelsmüller die Resultate zusam- men. Stationsleiter Markus Prinz sorgte mit Unterstützung von Prof. Dr. Dr. h. c. Stefan Schwab, dem Direktor der Neurologie, für die passenden Rahmenbedingungen der Studie: „Wir haben einen Antrag bei der Ethikkom- mission gestellt und gewährleistet, dass das Projekt für die Patienten keinerlei Gefahren birgt. So verhindern beispielsweise beson- ders weiche Kopfhörer das Entstehen von Druckstellen am Kopf“, erklärt Markus Prinz. ZWEI WEGE AUS DER HILFLOSIGKEIT „Die Angehörigen der Intensivpatienten reagieren durchweg positiv auf das neue An- gebot“, erzählt Lisa Dietmar. „Sie haben da- durch das gute Gefühl, ihre Liebsten in dieser Situation völliger Hilflosigkeit aktiv unterstüt - zen zu können. Gerade auf der Neuro-Inten- sivstation erleben wir ja überwiegend akute Mehrere Auszeichnungen er- hielten Lisa Dietmar und Tobias Heckelsmüller für ihr Pilot- projekt „Vertraute Stimmen“. Im Februar 2019 startete Prof. Schwab, Direktor der Neurologie, auf der Basis ihrer Ergebnisse eine umfangreiche Forschungsstudie über die positive Wirkung von Ange - hörigenstimmen während des Weanings. U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 8 | 2 0 1 9 13 H E L F E N H E I L E N

RkJQdWJsaXNoZXIy ODIyMTAw