Jahresbericht 2018 | 2019: Medizin. Menschen. Momente.
zogen werden kann, sollen darin möglichst viele alltägliche Erlebnisse der vergangenen Wochen dargestellt werden, zum Beispiel bei einem Fußballfan auch ein Pokalerfolg der Lieblingsmannschaft.“ Wenn der schlimmste Fall eintritt und ein Patient auf der Intensiv- station verstirbt, dient das Tagebuch zudem als wertvolle Erinnerung. Markus Prinz: „Es dokumentiert für seine Familie das Zusam- mensein in den letzten Tagen seines Lebens und ist damit auch Zeugnis der inneren Ver- bundenheit.“ Sobald ein Patient die Intensiv- station verlässt oder verlegt wird, erhalten er oder seine Angehörigen die Aufzeichnungen. Wie sie und der Patient damit umgehen und wann oder ob das Tagebuch überhaupt ge- lesen wird, bleibt jedem selbst überlassen. Studien belegen laut Tobias Heckelsmüller außerdem, dass das gemeinsame Führen eines Intensivtagebuches auch die Sicht der Angehörigen auf das Klinikpersonal positiv beeinflusst: „Es stärkt ihr Vertrauen in die Pflegekräfte, weil diese durch ihre Ein- träge eine persönliche Stimme erhalten.“ FORMULIERUNGEN UND FEEDBACK Das Erlanger Intensivtagebuch ist in Folie eingebunden und kann somit regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden. Damit die Einträge der betreuenden Pflegekräfte aus- sagekräftig sind, erhalten sie von Markus Prinz, Tobias Heckelsmüller und Lisa Dietmar viel Unterstützung. „Wir haben als Anregung ins hauseigene Intranet Mustereinträge und Formulierungshilfen eingestellt“, erklärt Lisa Dietmar. „Dort können sich unsere Kollegen bei schwierigen Verläufen Anregungen holen, gerade wenn die Diagnose stagniert oder wenn ein Patient stirbt.“ Die größte Motiva- tion erhalten die Pflegekräfte laut Markus Prinz durch das positive Feedback der Patien- ten und ihrer Angehörigen. So geschehen bei dem Besuch einer ehemaligen Patientin, die im Alter von 18 Jahren nach einem Sturz aus dem Fenster fast zwei Monate lang auf der Neuro-Intensivstation lag. „Für die junge Frau haben wir zusammen mit ihren Eltern fast vier Tagebücher vollgeschrieben, weil sie wo- chenlang im Koma lag“, erinnert sich Tobias Heckelsmüller. „Ich habe bei ihrer Verlegung den letzten Eintrag in das Tagebuch geschrie- ben und darin formuliert, dass wir uns über einen nachträglichen Besuch freuen wür- den,“ ergänzt Lisa Dietmar. Die Patientin kam tatsächlich noch einmal vorbei und erzählte, wie sehr sie sich über die Tagebucheinträge gefreut hat und welche Gefühle diese in ihr ausgelöst haben. Diese Begegnung berührt Lisa Dietmar noch immer: „Uns tut es gut, zu sehen, wie die Menschen, die wir nur in einer dramatischen Akutphase kennen- lernen, wieder zurück in ihr Leben finden.“ KB Film zum Erlanger Intensivtagebuch: In bewusst sanften Bildern lässt der Film ehemalige Komapatienten die Eindrücke ihres Stationsaufenthalts noch einmal visuell erleben. www.uker.de/intensivtagebuch 90% Mehr als 90 Prozent aller Angehörigen nut- zen das Angebot des Intensivtagebuchs auf der Neuro-Intensivsta- tion des Uni-Klinikums Erlangen. Gemeinsam mit Stations- leiter Markus Prinz (r.) entwickelten Tobias Heckelsmüller und Lisa Dietmar innerhalb weni- ger Monate das Erlanger Intensivtagebuch , das in Absprache mit Pflege- wissenschaftler Peter Nydahl entstand. U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 8 | 2 0 1 9 15 H E L F E N H E I L E N
RkJQdWJsaXNoZXIy ODIyMTAw