Spitzenmedizin aus dem Uni-Klinikum Erlangen | Sonderseiten Fränkischer Tag
GESUNDHEITSSERIE – UNSER SCHWERPUNKTTHEMA IM AUGUST: KRYOTHERAPIE D ie Idee ist nicht neu: Kälte wird seit Jahrtausenden therapeutisch genutzt, etwa beim Kaltwasser-Treten in der Kneipp-Kur oder bei Kühlpads, die auf Schwel- lungen gelegt werden. In Japan entwickelte der Rheumatologe Toshiro Yamauchi 1980 als Erster die Idee einer Ganzkörperbehandlung mit ex- tremer Kälte von bis zu −175 Grad Celsius gegen rheumatoide Arthritis. Ende der 1980er-Jahre entstand die erste europäische Kältekammer mit Temperaturen von bis zu −110 Grad Celsius in einer deutschen Klinik. Diese extremen Minusgrade erreicht auch die sogenannte Kryosauna, die der Bereich Physika- lische und Rehabilitative Medizin der Medizini- sche Klinik 3 – Rheumatologie und Immunolo- gie (Direktor: Prof. Dr. med. univ. Georg Schett) des Uni-Klinikums Erlangen seit April dieses Jahres in der ambulanten Behandlung anbietet. Bis zu −130 Grad Celsius geben die Innenwän- de der Ganzkörperkabine ab. „Die Kryosauna ist eine platzsparende Weiterentwicklung der ursprünglichen Kältekammern, die aus mehre- ren Räumen bestanden“, erläutert Oberarzt Dr. Christoph Bleh. „Sie ist erst seit zwei Jahren für die medizinische Therapie zugelassen.“ Kopf raus, Hände hoch! Patienten betreten die Ganzkörperkabine in Unterwäsche und mit Schuhen durch eine Flügeltür mit Magnetverschluss. Sobald die Tür geschlossen ist, wird die bewegliche Boden- platte hochgefahren, sodass sich der Kopf des Patienten außerhalb der Kabine bef indet. „Dadurch hat man während der Behandlung Blickkontakt mit dem Therapeuten, kann sich mit ihm unterhalten und muss die eiskalte Luft nicht einatmen“, erläutert Physiotherapeutin Svenja Schmeißer. Auf Knopfdruck leitet sie für maximal drei Minuten den Dampf von f lüssigem Stickstof f in die Kabine. Ein wahrhaft futuris- tischer Anblick, wie der Körper des Patienten in der Kabine von dem wabernden weißen Dampf umnebelt wird, während sein Kopf oben deutlich herausragt. Auf die starken Minus- grade in der Kältekammer sprechen die Rezep- toren der Haut sofort stark an. Dennoch bleibt die Kerntemperatur des Körpers fast erhalten. „Durch die Kürze der Behandlung wird nur die Hautoberf läche massiv gekühlt. Deshalb gibt es außer Hautrötungen auch so gut wie keine Nebenwirkungen“, erläutert Dr. Bleh. Gegen Entzündungen Die ursprünglich vor allem für Rheumaerkran- kungen entwickelte Kältetherapie wirkt auch bei ähnlichen Autoimmunerkrankungen, die chronisch-entzündliche Prozesse im Körper auslösen. „Wir wenden sie zum Beispiel auch bei Menschen an, die unter Schuppenf lechte, Morbus Crohn oder Multipler Sklerose leiden. Durch die Kältetherapie fallen die Entzündungs- stof fe dieser Autoimmunerkrankungen im Blut deutlich ab. Wir wissen noch nicht genau, wie die Kälte das macht, aber es ist messbar und belegbar“, sagt Dr. Bleh. „Bislang gibt es leider nur sehr wenige aussagekräftige Studien zur positiven Wirkung der Kältetherapie“, bedauert der Oberarzt. „Deshalb wird die Behandlung trotz zahlreicher positiver Erfolge auch nicht von den Krankenkassen gezahlt, sondern muss von den Patienten selbst f inanziert werden.“ Dies ist auch der Grund dafür, dass das Angebot an ambulanten Kältekammern für Patienten eher dünn ist. Die Kryosauna des Uni-Klinikums Erlangen ist die einzige in Franken – weitere f in- den sich erst wieder in Ober- und Niederbayern. „Viele Patienten freuen sich darüber, für ihre Kältetherapie jetzt nicht mehr so weit fahren zu müssen“, berichtet Svenja Schmeißer, die bislang von den Anwendern in Erlangen ausschließlich positive Resonanzen erhalten hat. Auch ihr Pati- ent Horst Stapf ist von der Wirkung der Kryosauna überzeugt: „Mein Hausarzt hat mich im Mai darauf aufmerksam gemacht, und seit- her nutze ich sie zweimal pro Woche. Ich habe Rheuma und liege wegen der starken Schmerzen nachts oft wach. Durch die Kältetherapie kann ich wieder besser schlafen.“ KeB Kalt und schmerzlos Keinen Frostschock, sondern eine angenehme Schmerzlinderung erleben Patienten in einer medizinischen Kältekammer mit extremen Minustemperaturen. Eine innovative Therapie am Uni-Klinikum Erlangen, die sich vor allem bei Rheuma, chronischen Schmerzen und Hauterkrankungen positiv auswirken kann. Der „Saunagang“ bei −130 Grad dauert nur drei Minuten. In dieser Zeit hält Horst Stapf seine Hände nach oben, um sie vor den Extremtemperaturen zu schützen. Insgesamt ist die trockene Kälte gut auszuhalten. Physiotherapeutin Svenja Schmeißer lässt ihren Patienten rechtzeitig wieder aus der Kältekammer. Foto: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen KÄLTE ALS THERAPIE Die Kryotherapie („krýos“: griechisch für „Kälte“) hat sich vor allem bei der Be- handlung akuter und chronischer Schmer- zen der Muskeln und Knochen bewährt. Die kurzzeitige, hochdosierte Reduktion der Hauttemperatur bewirkt Verände- rungen des Blutdrucks, der Gefäße, der Durchblutung, der Sauerstoffversorgung des Gewebes, der Muskelspannung, der Geschwindigkeit, mit der die Nerven Reize weiterleiten, sowie bei der Bildung und Ausschüttung zahlreicher Botenstoffe oder von Immunzellen. Die Kryotherapie ist grundsätzlich für alle Menschen mit einem gesunden und stabilen Herz-Kreis- lauf-System geeignet. Patienten mit un- behandeltem Bluthochdruck, arteriellen oder venösen Durchblutungsstörungen (Thromboseneigung), einem Anfallsleiden oder einem Herzschrittmacher sollten sie nicht nutzen. SONDERTHEMA Weitere Infos: www.medizin3.uk-erlangen.de/patienten/ physikalische-und-rehabilitative-medizin/cryosauna-ganzkoerperkaeltetherapie/ Medizin 3 des Uni-Klinikums Erlangen Telefon: 09131 85-33899 E-Mail: med3-physther@uk-erlangen.de www.medizin3.uk-erlangen.de Dr. Christoph Bleh Oberarzt und ärztlicher Leiter der Rehabilitativen Medizin der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie des Uni-Klinikums Erlangen DREI FRAGEN AN Fotos: Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen Ein großer Tank mit Flüssigsticksto befindet sich direkt neben der Kältekammer. Das Gas ist deutlich kälter als Trockeneis. Wie oft muss ich die Kältekammer für eine spürbare Verbesse- rung chronischer Erkrankungen nutzen? Empfohlen werden zu Beginn 10 bis 20 An- wendungen – und zwar dicht aufeinanderfolgend, zum Beispiel ein- bis zweimal pro Woche. In der Regel sind mindestens 20 Anwendungen nötig, bis die entzün- dungsaktiven Botensto e dauerhaft verändert und reduziert werden. Kann ich während der Kältetherapie meine Medikamente absetzen? Nein, es ist eine zusätzliche erapie, man soll- te aber parallel zur Kältetherapie die lau- fende Behandlung fortführen und die Basismedikamente weiterhin nehmen. Manche Menschen können durch die Kältetherapie ihre Medikamente reduzieren – auch das ist schon ein Erfolg. Was kostet eine Behandlung und wo kann ich Termine vereinba- ren? Eine Behandlung in der Kryosauna kostet 40 Euro. Langzeitnutzer erhalten beim Kauf von 10er- oder 20er-Karten eine Ermäßigung von 10 bzw. 15 Prozent. Vor Beginn der ersten Behandlung führen wir mit jedem Patienten ein persönliches Erstgespräch. Termine erhalten Interes- senten per Telefon oder E-Mail (s. u.). Medizin 3 des Uni-Klinikums Erlangen Telefon: 09131 85-33899 E-Mail: med3-physther@uk-erlangen.de www.medizin3.uk-erlangen.de | 11
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