Spitzenmedizin aus dem Uni-Klinikum Erlangen | Sonderseiten Fränkischer Tag
I m Dunkeln zur Arbeit kommen und im Dunkeln wieder gehen, da wird man ja depressiv“, klagen viele in den Herbst- und Wintermonaten. Doch natürlich hat die abgeschlagene Stimmung, wenn das Tageslicht knapper und die Temperaturen eisiger wer- den, nichts mit einer tatsächlichen Depression zu tun. Es gilt zu unterscheiden: Depressive sind nicht einfach nur traurig, müssen sich „am Riemen reißen“ oder „mal lachen“. Sie leiden an der häufigsten Form a ektiver Störungen – einer Gruppe psychischer Erkrankungen, die das Gemüt der Patienten krankhaft verändern. „Letztlich ist das gesamte Leben von der Erkrankung betro en“, erklärt Prof. Dr. Johannes Korn- huber, Direktor der Psychiatrischen und Psychothera- peutischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen. „Durch eine allumfassende Ho nungslosigkeit ent- steht schnell ein Teufelskreis, aus dem Depressive nur mit professioneller Hilfe wieder herausfinden.“ Multimodale Therapie Diese Hilfe finden Betro ene zum Beispiel in der Psychiatrie des Uni-Klinikums Erlangen. „Wir zeichnen uns durch langjährige Erfahrung mit allen Formen und Schweregraden der Depression aus“, sagt Klinikdirek- tor Prof. Kornhuber und betont: „Die unmittelbare Nähe zur Forschung ist unser großes Plus für die Patienten. Neueste Studienergebnisse etwa fließen di- rekt in die Behandlung ein und wir bieten regelmäßig die Teilnahme an klinischen Studien an, die eventuell schneller und besser helfen als etablierte erapien.“ Die Behandlungsmöglichkeiten der Erlanger Exper- ten sind vielfältig: „Wir setzen auf die multimodale erapie, in der wir die klassischen erapiesäulen aus Psychotherapie und Medikation mit zusätzlichen Bausteinen kombinieren“, erklärt Prof. Kornhuber. „Das können Sport- und Kunstprogramme sein, aber auch die Lichttherapie. Hervorzuheben ist auch unsere Stu- die ‚Klettern und Stimmung‘, in der Patienten durch das Bouldern ganz gezielt Kraft und Selbstvertrauen aufbauen. Die Ergebnisse sind so positiv, dass aktuell bereits die dritte Projektrunde läuft.“ Wenn nichts mehr hilft Mit einer Depression werden Betro ene nicht allein fertig. Doch ist der Schritt zur ärztlichen Hilfe einmal gemacht, stehen die Chancen auf deutliche Besserung sehr gut – egal in welchemAlter. „Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad der Depression“, be- richtet Prof. Kornhuber. „Wer an einer leichten depressi- ven Episode leidet, dem helfen meist schon ambulante Angebote. Eine umfassende stationäre Betreuung ist vor allem bei höheren Schweregraden nötig und sinnvoll.“ Stellt sich heraus, dass die konventionelle erapie keine ausreichende Besserung bringt, können die Pati- enten weitere Schritte gehen: Das jahrelange Fachwissen auf demGebiet der Hirnstimulationsverfahren ist am Uni-Klinikum Erlangen in der „Stimulationseinheit Mittelfranken“ gebündelt. In der Erlanger Psychiatrie wurde die Elektrokonvulsionstherapie deutschlandweit erstmalig eingesetzt, dadurch liegt eine besonders lange Erfahrung mit dieser Behandlung vor. Zusätzlich wird die repetitive transkranielle Magnetstimulation und die Vagusnervstimulation angeboten. „Gerade bei schwe- ren Depressionen erzielen wir mit diesen Verfahren sehr gute Ergebnisse“, berichtet der Klinikdirektor. Auf sich Acht geben Auch nach der erapie gilt es, gut auf sich zu achten und erneute Auslöser zu vermeiden. „Stressoren“ nennen Psychotherapeuten diese Belastungen. „Oft sind Depressionen genetisch angelegt und schlum- mern so lange, bis sie durch ein Ereignis ausgelöst werden – mal ganz plötzlich, mal über einen länge- ren Zeitraum hinweg. Das kann extremer Stress sein, Drucksituationen oder traumatische Erlebnisse“, sagt Prof. Kornhuber und unterstreicht: „Die Ursachen für die Depression mögen vielfältig sein, aber zum Glück auch unsere Möglichkeiten, gegen die Erkrankung vorzugehen.“ Melanie Schmitz GESUNDHEITSSERIE – UNSER SCHWERPUNKTTHEMA IM SEPTEMBER: DEPRESSIONEN Raus aus der inneren Leere Depression – das ist keine Frage des Zusammenreißens. Depressionen müssen ernst genommen und umfassend behandelt werden – dann ist die Chance auf Hei lung hoch. In der Psychiatrie des Uni -Kl inikums Erlangen prof itieren Patienten von zahlreichen Therapieangeboten und eng angegl ieder ter Forschung. SONDERTHEMA Psychiatrie des Uni-Klinikums Erlangen Telefon:09131 85-34597 E-Mail: direktion-psych@uk-erlangen.de www.psychiatrie.uk-erlangen.de Viele beschreiben ihre Depression als alles betäubenden Nebel, der keine Freude oder Farben durchlässt. So bringen Betro ene oft nicht mehr die Kraft auf, ihren Alltag zu führen, Freunde zu tre en oder nur das Bett zu verlassen. Für Angehörige schwer: Die innere Verzweiflung muss von außen nicht einmal sichtbar sein. Prof. Dr. Johannes Kornhuber Direktor der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik des Uni-Klinikums Erlangen DREI FRAGEN AN Was können Angehörige tun? Vor allem sollten Angehörige geduldig und unterstützend sein, jedoch keinen Druck auf den Erkrankten ausüben. Ziehen Sie einen Arzt zu Rate und machen dem Betro enen deutlich, dass Sie für ihn da sind. Aber denken Sie auch an sich selbst! Angehörige befinden sich ebenfalls in einer belastenden Situation und dürfen ihre eigenen Grenzen nicht aus den Augen verlieren. Wie häufig sind Depressionen? Etwa jeder Zehnte erlebt im Laufe seines Le- bens einmal eine depressive Episode. Frauen sind häufiger betro en als Männer. Wich- tig ist, sich frühzeitig Hilfe zu suchen. Dauern die Symptome länger als zwei Wochen an, sollten Betrof- fene nicht zögern, ihren Hausarzt darauf anzusprechen. Wohin geht die aktuelle Forschung? Zum einen versuchen wir, die Depression besser zu verstehen – etwa worin sie sich bei Frauen und Männern unterscheidet. Zum anderen wollen wir schneller und e ektiver wirkende Medikamente entwickeln. Für diese beiden und noch weitere Ansätze gibt es am Uni-Klinikum Erlangen aktuelle klinische Studien. Foto: FranziskaMännel/Uni-KlinikumErlangen Quelle: IQWiG LIEGT EINE DEPRESSION VOR? Die Kriterien der ICD-10 helfen abzuschätzen, ob jemand an einer depressiven Episode leidet und welcher Schweregrad vorliegt. Ein Bei- spiel: Eine leichte Depression liegt vor, wenn der Betroffene zwei der drei Hauptsymptome und zwei der sieben Zusatzsymptome zeigt. HAUPTSYMPTOME depressive Stimmung, Verlust von Interesse/Freude, Antriebsmangel ZUSATZSYMPTOME verminderte Konzentration, mangelndes Selbstwertgefühl/-vertrauen, Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit, pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken, Schlafstörungen, Appetitverminderung 2 + 2 2 + 3 – 4 3 + > 4 DEPRESSIVE EPISODE SYMPTOME > 2 WOCHEN leichte mittel- gradige schwere Pro Symptom ein Punkt Foto: fotolia.com/Africa Studio 12 |
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