Spitzenmedizin aus dem Uni-Klinikum Erlangen | Sonderseiten Fränkischer Tag

M ultiple Sklerose (MS) – die Krankheit der tausend Gesichter, und der tausend Vorurteile. Viele glauben, dass MS-Pati- enten zwangsläufig im Rollstuhl landen. „Dem ist aber nicht mehr so“, berichtigt PD Dr. Ralf Linker. Der stellvertretende Direktor der Neurologischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Dr. h. c. Stefan Schwab) des Universitätsklinikums Erlangen präzisiert: „Neun von zehn Betroffenen können wir den Rollstuhl heute ersparen, wenn wir sie früh und korrekt behandeln.“ Die MS ist eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der eine chronische Entzündung vornehmlich Nervenfaserhüllen zerstört und zu Vernarbungen im Gehirn führt. Mithilfe der Kernspintomogra- fie (MRT) lassen sich an verschiedenen Stellen ( multiple ) Entzündungsherde und Vernarbungen ( Sklerose ) im Nervengewebe darstellen. Früh- symptome sind oft Seh- oder Gefühlsstörungen. „Kribbelnde Finger am Morgen sind aber nicht immer gleich ein MS-Indiz“, beruhigt PD Linker. „Die Symptome müssen mindestens 24 Stunden lang durchgehend anhalten, um den Verdacht auf einen MS-Schub zu erhärten.“ Nicht heil-, aber beherrschbar Die MS ist bis heute nicht heilbar. „Vor 20 Jahren wurde einer jungen Frau die MS-Diagnose nach ihrem ersten Schub oft noch verschwiegen“, erin- nert sich PD Linker. „Man wollte den Betroffenen den Schock ersparen.“ Mittlerweile wählen die Neurologen den Weg nach vorn: Sie informieren Patienten sofort und erstellen einen Behandlungs- plan, der ihre Lebensqualität umso besser erhält, je früher die Therapie beginnt. „Innerhalb der vergangenen zehn Jahre haben wir ein unglaub- liches Instrumentarium an Therapien entwickelt – passend für fast alle Stadien und Verläufe der MS“, sagt Ralf Linker. Die Behandlung umfasst drei Bereiche: die Therapie bei akuten Schüben – etwa mit hochdosierten Kortisonpräparaten; die immunprophylaktische Therapie, die beschwer- defreie Phasen verlängern und das Fortschreiten einer Behinderung aufhalten beziehungsweise ihr Auftreten verhindern soll; und die sympto- matische Therapie, die bestehende Beschwerden wie Blasenstörungen oder chronische Müdigkeit lindert. Medikamente gibt es zum Beispiel in Spritzen- und Tablettenform. „Die neueste Ge- neration sind zielgerichtete Eiweißabwehrstoffe, sogenannte monoklonale Antikörper. Sie schalten zum Beispiel diejenigen Zellen des Immunsystems aus, die die Nervenfasern angreifen und schädi- gen. Wir verabreichen die Antikörper als Infusi- on und erforschen, wie wir sie in Zukunft noch besser darauf trimmen, keine unschuldigen Zellen anzugreifen“, erläutert Ralf Linker. Präzise MRT-Bilder Zur Diagnostik und Verlaufskontrolle nutzen die MS-Experten der Neuroimmunologischen Ambu- lanz des Uni-Klinikums Erlangen, die u. a. mit den Kollegen der Neuroradiologischen Abteilung zu- sammenarbeiten, moderne Kernspintomografen – etwa ein hochpräzises 7-Tesla-MRT-Gerät. Es gibt eine neurologische Notaufnahme, spezialisierte Pflegekräfte und Ärzte und viel Erfahrung mit den verschiedenen Ausprägungen der Krankheit. Tückisch sind die unsichtbaren Zeichen der MS, die neben den sichtbaren „weißen Flecken“ im MRT auftreten: chronische Müdigkeit, depressive Verstimmungen oder sexuelle Funktionsstörungen zum Beispiel. „Patienten landen damit oft zunächst bei Psychologen, Augenärzten, Orthopäden oder Heilpraktikern. Mit neurologischen Symptomen soll- ten sie aber tatsächlich unbedingt zum Neurologen gehen“, rät Ralf Linker. „MS-Patienten brauchen auf jeden Fall einen Facharzt, der sie an ihrem Wohnort betreut.“ Im Netzwerk aus niedergelassenen Medizi- nern, Patienten, Selbsthilfegruppen und Hochschul- medizin ist die Erlanger Neurologie ein zentraler Knotenpunkt in Nordbayern. Franziska Männel GESUNDHEITSSERIE – UNSER SCHWERPUNKTTHEMA IM APRIL: MULTIPLE SKLEROSE Multiple Sklerose: der Weg nach vorn MS-Patienten können heute meist ein normales Leben führen. Eine präzise MRT-Bi ldgebung, neue Medikamente und ein stabi les medizinisches und soziales Netzwerk sind die besten Verbündeten gegen die chronische Krankheit. SONDERTHEMA Neurologische Klinik des Uni-Klinikums Erlangen Telefon: 09131 85-44555 E-Mail : sabine.voelklein@uk-erlangen.de www.neurologie.uk-erlangen.de PD Dr. Ralf Linker stellvertretender Direktor der Neurologischen Klinik des Uni-Klinikums Erlangen DREI FRAGEN AN Was sind Risiko- faktoren für die MS? Die Krankheit betri t zu Beginn meist Menschen zwi- schen 20 und 40 Jahren, Frau- en doppelt so oft wie Männer. Die MS ist zu einem Drittel genetisch bedingt, zu zwei Dritteln von Umweltfaktoren abhängig. Unter ande- rem wirkt vermutlich Vitamin D schützend, eine salz- und fettreiche Ernährung hingegen negativ. Hierzu forschen wir intensiv. Welche Untersuchungen sind nötig, um die Diagnose einer MS zu sichern? Die Diagnose ergibt sich aus der klinischen Untersuchung, den MRT-Bildern, einer Ner- venwasseruntersuchung und den evozierten Potenzialen, mit denen wir die Leitfähigkeit von Nervenbahnen untersuchen. Auch die Erfah- rung des Neurologen spielt eine große Rolle. Müssen MS-Patienten ihre Träume aufgeben? Wir ermutigen Patienten, sich Ziele zu setzen, Hobbys, Beruf oder Berufswunsch nicht aufzugeben. Es freut mich, wenn wir Menschen bis zum Studienabschluss oder sogar bis zur Habilitation begleiten können. Wir unterstützen Patienten mit MS heute auch in ihrem Wunsch, eine Familie zu grün- den. Neben der medizinischen Begleitung ist auch ein stabiles soziales Netzwerk sehr wichtig für MS-Patienten. Bis die Diagnose MS gestellt ist, vergehen im Schnitt mehr als drei Jahre. MS-Spezialisten wie PD Dr. Ralf Linker kennen die verschiedenen Gesichter der Krankheit und können sie früh von anderen neurologischen Symptomen abgrenzen. Foto: Uni-Klinikum Erlangen Patienten-Infoabend im Juni Am Mittwoch, 13. Juni 2018, veranstaltet die Erlanger Neurologie einen Patienten- Infoabend zur MS (17.00 Uhr, Hörsäle Medizin, Ulmenweg 18, 91054 Erlangen). emen u. a.: neue erapien, Ernährung, Blasen- und Darm- störungen und der achtsame Umgang mit der Krankheit. „Einer meiner Patienten ist mit seiner Frau in ein Kloster nach Frankreich ge- fahren“, berichtet PD Linker. „Beide leben jetzt eine Weile in einem französischen Dorf. Er hat die MS als Chance genommen, sich neue Ziele zu setzen und wieder bewusster zu leben.“ Geschichten wie diese gibt es beim Infoabend im Juni sicher mehrere zu hören. Foto: Martin Stollberg Im Labor wird erforscht, wie die Multiple Sklerose entsteht. Dies ist bis heute nicht vollständig bekannt. Unter dem Mikroskop lassen sich in der feingeweblichen Darstellung krankhafte Veränderungen im Ge- hirn sichtbar machen. Fotos: Uni-Klinikum Erlangen Neurolo is l l f : - - il: s i . l l i - rl . . r l i . - rl . | 7

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