Spitzenmedizin aus dem Uni-Klinikum Erlangen | Sonderseiten Fränkischer Tag
8 | H ereditäre Spastische Spinalparalyse oder Ek- todermale Dysplasie: Wer diese Krankheits- bezeichnungen hier zum ersten Mal liest, ist nicht allein. Selbst einige Ärzte kennen sie nicht. Der Grund: Es handelt sich um zwei von rund 7.000 bis- her bekannten seltenen Erkrankungen. Selten heißt laut Definition der Europäischen Union, dass nicht mehr als 50 von 100.000 Menschen betro en sind. Selten bedeutet aber auch, dass diese Erkrankungen Ärzte und Forscher vor Herausforderungen stellen. Wie sollen Diagnostik- und erapiemethoden ent- wickelt werden, wenn über ein Krankheitsbild kaum etwas bekannt ist? Menschen mit seltenen Erkrankungen müssen oft eine lange Zeit mit ihren Symptomen und Be- schwerden leben, bis sie eine Diagnose erhalten. Im Durchschnitt vergehen dabei mindestens fünf Jahre, in denen sie sich von Arzt zu Arzt und von einer erapie zur nächsten hangeln und in denen sie hilflos zusehen müssen, wie ihr Leiden fortschreitet. Oft wirken sich die quälende Ungewissheit und das Gefühl der Machtlosigkeit auch auf die psychische Verfassung aus. Und selbst wenn dann die richtige Diagnose gestellt wird, kann die Erkenntnis, dass es bislang möglicherweise keine erapie für die seltene Erkrankung gibt, bei Betro enen Ängste auslösen. Um für Patienten vom Kindes- bis ins hohe Erwachse- nenalter bessere Versorgungsstrukturen zu scha en, wurde amUniversitätsklinikum Erlangen 2017 ein Hochkompetenzzentrummit dem Leitgedanken „For- schen hilft heilen“ gegründet: das Zentrum für Seltene Erkrankungen Erlangen (ZSEER). „Grundlegende Ziele des ZSEER sind es, Patienten mit seltenen Erkrankungen nach dem neustenWissens- stand zu versorgen, Menschen mit ungeklärten Erkran- kungen zu einer schnelleren Diagnose zu verhelfen, innovative erapien durch intensive Forschung zu entwickeln, das Wissen über seltene Erkrankungen zu vermehren und die universitäre und klinische Arbeit verstärkt patientenorientiert auszurichten“, erklärt Zen- trumssprecherin Prof. Dr. Beate Winner. Versorgungskette: nah am Patienten Im Fall der Ektodermalen Dysplasie werden Kinder bereits vor der Geburt im gleichnamigen Zentrum (Sprecher: Prof. Dr. Holm Schneider) therapiert, um die sehr schwere Krankheit des „Nicht-Schwit- zen-Könnens“ zu heilen. Bei der Hereditären Spasti- schen Spinalparalyse (HSP) sind die Spezialisten des Zentrums für Seltene Bewegungserkrankungen (Sprecher: Prof. Dr. Jürgen Winkler) zuständig. Die HSP ist eine langsam fortschreitende Erkrankung, die durch eine Gangstörung gekennzeichnet ist. Durch eine Beeinträchtigung der Nerven im Gehirn und Rückenmark versteifen die Muskeln. Wie vier von fünf seltenen Erkrankungen ist auch die HSP erblich bedingt. Die Bewegungserkrankung kann nicht in ihrer Ursache behandelt werden. Aller- dings kommen unterschiedliche Medikamente, Hilfsmittel und Physiotherapie zum Einsatz, um die Symptome zu lindern und die Folgeerscheinungen einzudämmen. Eine Ansammlung mehrerer oder ungewöhnlicher Symptome bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass eine ungeklärte seltene Erkrankung vorliegt. Möglicherweise ist die bereits bekannte, aber nicht seltene Grunderkrankung nur noch nicht ausreichend therapiert oder es liegt zusätzlich eine psychosomatische Erkrankung vor. Wenn der be- handelnde Arzt also Symptome nicht zweifelsfrei einordnen kann und sich bezüglich der Erkrankung unsicher ist, besteht die Möglichkeit, den Patienten an das ZSEER zu überweisen. „Das ZSEER bietet eine sichtbare Kontaktstelle für externe Kollegen und eine zentrale Anlaufstelle für ratsuchende Patienten und Angehörige, die ge- zielte Informationen oder eine zweite Meinung zu einer unklaren Erkrankung einholen wollen“, sagt Prof. Winner. „Zwei ärztliche Koordinatoren stellen vor Ort sicher, dass der Krankheitsverlauf dieser Patienten zeitnah in einer interdisziplinären Fallbe- sprechung diskutiert wird. Anschließend erfolgt die Behandlung im jeweiligen Spezialzentrum.“ GESUNDHEITSSERIE – UNSER SCHWERPUNKTTHEMA IM MAI: SELTENE ERKRANKUNGEN Eine Nadel im Heuhaufen Die sprichwörtliche Nadel im Heu zu nden, ist unwahrscheinlich – ebenso wie eine seltene Erkrankung zu diagnostizieren. Um jene Fälle im „Heuhaufen“ möglicher Diagnosen herauszu ltern, bündeln Spezialisten des Uni-Klinikums Erlangen ihre Kompetenzen im Zentrum für Seltene Erkrankungen Erlangen (ZSEER). DREI FRAGEN AN Wer kann sich an das ZSEER wenden? Das können Ärzte und auch Patienten sein, die ihre seltene Erkrankung kennen oder unsi- cher sind, an welchen Spezialis- ten sie sich wenden sollen. Auf unserer Homepage gibt es einen Fragebogen, der zunächst ausgefüllt werden sollte und der uns zusammen mit ersten Befunden hilft, die für den Patienten beste weitere Vorgehensweise zu finden. Wann ist ein guter Zeitpunkt dafür? Seltenes ist selten. Daher werden bei neu aufgetretenen Symptomen klassischerweise häufige Ursachen zunächst überprüft und gegebenenfalls ausgeschlossen. Diese Dia- gnostik sollte zunächst abgewartet werden. Je ausführlicher und vollständiger die Informationen und Vorbefunde an uns sind, desto schneller können sich unsere Spezialisten ein Bild machen. Wie profitiert der einzelne Patient vom ZSEER? Das Uni-Klinikum Erlangen bietet optimale Bedingungen. Es ist eine hohe Dichte an Fachdisziplinen und erfahrenen Ärzten unter einem Dach vorhanden, gepaart mit der direkten Anbindung an die medizinische Forschung. Letztere ist unerlässlich, um Krankheitsmechanismen aufzudecken und erapien zu entwickeln. Foto: Michael Rabenstein/Uni-KlinikumErlangen Prof. Dr. Beate Winner Sprecherin des Zentrums für Seltene Erkrankungen Erlangen (ZSEER) und Leiterin der Stammzellbiologischen Abteilung des Uni-Klinikums Erlangen Zentrum für Seltene Erkrankungen Erlangen Telefon: 09131 85-39336 E-Mail: zseer@uk-erlangen.de www.zseer.uk-erlangen.de SELTENE ERKANKUNGEN: HERAUSFORDERUNG DIAGNOSE Das ZSEER bildet das Dach für folgende Spezialzentren: Zentrum für Ektodermale Dysplasien Erlangen, Zentrum für Seltene Bewegungserkrankungen, Zentrum für Seltene Entwicklungs- störungen, Zentrum für Seltene Immunologische Erkrankungen, Zentrum für Seltene Leber-, Pankreas- und Darmerkrankungen, Zentrum für Seltene Neuromuskuläre Erkrankungen, Zentrum für Seltene Nierenerkrankungen, Zentrum für Tuberöse Sklerose und Seltene Epilepsien, Zentrum für Zystische Fibrose und Seltene Lungenerkrankungen. Luise Laufer Seltene Erkrankungen wiegen schwer Langer Weg zur Diagnose Im Durchschnitt vergehen bis zur richti- gen Diagnose 4,8 Jahre. 40 % der Patienten erhalten mindestens einmal eine Fehldiagnose. Typischerweise werden bis zu 8 Ärzte aufge- sucht. 4 Mio. Betroffene in Deutschland Über 7.000 seltene Erkrankungen sind bekannt. 350 Mio., fast 5 % der Weltbevölke- rung, leben mit einer seltenen Erkrankung. Etwa 75 % der seltenen Erkrankungen betreffen Kinder. Foto: Michael Rabenstein/Uni-KlinikumErlangen
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