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Neuer Therapieansatz bei Zystennieren

Neuer Therapieansatz bei Zystennieren

Erlanger und Regensburger Forscher finden vielversprechenden Ansatz zur Behandlung der familiären Zystennierenerkrankung ADPKD

Die autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung ADPKD ist eine der häufigsten Erbkrankheiten weltweit und einer der führenden Gründe für eine Dialysepflichtigkeit im Erwachsenenalter. Ursache hierfür ist das zahlreiche Auftreten von Zysten (flüssigkeitsgefüllten Hohlräumen) in beiden Nieren, die kontinuierlich an Größe zunehmen und dabei gesundes Gewebe verdrängen. Die bisherigen therapeutischen Möglichkeiten sind nur sehr begrenzt wirksam und mit deutlichen Begleiterscheinungen verbunden. Forscher des Universitätsklinikums Erlangen und der Universität Regensburg konnten jetzt in einer umfangreichen Arbeit zeigen, dass der Chloridkanal TMEM16A (Anoctamin 1) wesentlich zum Zystenwachstum beiträgt und eine pharmakologische Hemmung von TMEM16A das Zystenwachstum signifikant reduziert. Außerdem wiesen die Wissenschaftler dabei die Wirksamkeit von zwei Medikamenten nach, die in der Humanmedizin bereits zu anderen Zwecken zugelassen sind. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Etwa einer von tausend Menschen leidet an der Erbkrankheit ADPKD, die wiederum in etwa der Hälfte aller Fälle in der Mitte des fünften Lebensjahrzehnts in einem unwiederbringlichen Verlust der Nierenfunktion mündet. Für die Betroffenen bedeutet dies: Abhängigkeit von einem Nierenersatzverfahren wie Hämodialyse oder Transplantation und Verkürzung der Lebenserwartung. Schon Jahrzehnte zuvor leiden die Patienten oft an Bluthochdruck sowie an Schmerzen und Infektionen aufgrund ihrer Nierenerkrankung. Seit längerer Zeit ist bekannt, dass das kontinuierliche Zystenwachstum maßgeblich zu all diesen Problemen führt. Therapieansätze zielen daher auf die Hemmung des Zystenwachstums ab. Die bisherigen therapeutischen Möglichkeiten sind jedoch leider nur eingeschränkt wirksam und von relevanten Nebenwirkungen begleitet.

Ein wesentlicher Mechanismus für das Zystenwachstum ist der Transport von Flüssigkeit in das Innere der Zysten. Die Entschlüsselung dieser zugrunde liegenden Mechanismen ist seit vielen Jahren das erklärte Ziel von PD Dr. Björn Buchholz, Oberarzt der Medizinischen Klinik 4 – Nephrologie und Hypertensiologie (Direktor: Prof. Dr. Mario Schiffer) des Uni-Klinikums Erlangen, in enger Kooperation mit Prof. Dr. Karl Kunzelmann, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Physiologie der Universität Regensburg. Jetzt konnten die beiden Forscher einen möglichen Durchbruch vermelden. Ihre Arbeitsgruppen zeigten, dass das genetische Ausschalten des Chloridkanals TMEM16A in einem ADPKD-Mausmodell zu einer signifikanten Reduktion des Zystenwachstums führte. In einem nächsten Schritt prüften sie einen experimentellen pharmakologischen Wirkstoff, der TMEM16A hochwirksam und selektiv hemmt und konnten damit eine vergleichbare Hemmung des Zystenwachstums erreichen.

Um ihrem Ziel – der Übertragung ihrer Forschungsergebnisse in die Patientenversorgung – näherzukommen, führten die Wissenschaftler umfangreiche Screenings verschiedener Medikamente in elektrophysiologischen Zellexperimenten sowie dreidimensionalen Zystenversuchen durch und identifizierten zwei vielversprechende Substanzen, die ebenfalls eine stark hemmende Wirkung auf TMEM16A aufwiesen. Hierbei handelt es sich um Benzbromaron sowie Niclosamid. Beide Substanzen zeigten ebenfalls eine hoch signifikante Reduktion des Zystenwachstums. „Letzteres stellt möglicherweise einen besonderen Glücksfall dar“, erläutert PD Buchholz, „da wir damit zwei Substanzen identifiziert haben, die bereits zu anderen Zwecken eine Zulassung in der Patientenversorgung haben und dabei in der Regel gut verträglich sind. Bis wir aber wirklich sicher sein können, dass wir auch bei unseren Patienten sowohl eine gute Wirksamkeit als auch eine gute Verträglichkeit erzielen können, braucht es weitere Versuche.“ Sowohl PD Buchholz als auch Prof. Kunzelmann verweisen dabei auf den Sonderforschungsbereich 1350 „Tubulussystem und Interstitium der Niere: (Patho-)Physiologie und Crosstalk“, an dem sie beide mit ihren Arbeitsgruppen beteiligt sind und der ihnen eine optimale Plattform für die Durchführung ihrer Versuche und weiteren engen Zusammenarbeit bietet.

Originalpublikation

Ines Cabrita, Andre Kraus, Julia Katharina Scholz, Kathrin Skoczynski, Rainer Schreiber, Karl Kunzelmann, Björn Buchholz: Cyst growth in ADPKD is prevented by pharmacological and genetic inhibition of TMEM16A in vivo

DOI: http://dx.doi.org/10.1038/s41467-020-18104-5

Weitere Informationen:

PD Dr. Björn Buchholz
Telefon: 09131 85-39002
E-Mail:bjoern.buchholz(at)uk-erlangen.de