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Therapie mit Wau-Effekt

Stephan Eitner und sein speziell ausgebildeter Hund Bailey sind ein tierisch erfolgreiches Team. Gemeinsam unterstützen sie vor allem chronisch kranke Kinder.

Heute bekommen die bronzenen Schäfchen im Innenhof der Kinder- und Jugendklinik wieder einmal tierischen Besuch: Der dreijährige Rüde Bailey springt fröhlich auf die Tierstatuen zu, gefolgt von Prof. Dr. Stephan Eitner, leitender Oberarzt der Zahnklinik 2 – Zahnärztliche Prothetik des Uniklinikums Erlangen. Stephan Eitner legt seinem Hund ein leichtes Geschirr um. „BRK-Therapiehund Bailey“ steht auf dessen rotem Label. „Jetzt weiß Bailey, dass seine Arbeitszeit beginnt“, erklärt der Mediziner, der regelmäßig mit seinem Vierbeiner hierherkommt, um mit kranken Kindern zu spielen. Denn: Bailey hat im Herbst 2023 seine Ausbildung als geprüfter Therapiehund des Bayerischen Roten Kreuzes mit Bravour abgeschlossen. „Seit dem Frühjahr 2024 treffen wir uns hier regelmäßig mit maximal fünf Kindern, die am Uniklinikum Erlangen behandelt werden und denen die Nähe zu Bailey guttun soll“, erklärt Stephan Eitner. „Bailey ist ein sehr freundlicher und stressresistenter Hund. Vor allem agiert er außergewöhnlich sensibel im Umgang mit kleineren Kindern und kann sich dabei selbst zurücknehmen“, lobt er seinen Rüden. In einem kleinen Rollkoffer transportiert der Hundehalter Baileys Arbeitsutensilien: Spielzeug und Trainingszubehör, mit dem die Kinder Bailey beschäftigen können. Seine Einsätze für die Kinderklinik absolviert Prof. Eitner in seiner Freizeit und zu 100 Prozent ehrenamtlich, wie er betont. „Von der Erlanger Werbeagentur Schachzug bekommt die Kinderklinik eine zweckgebundene Spende. Dieses Geld geht vollständig an das BRK, das damit dann die Fort- und Ausbildungen für Therapiehunde finanziert“, erklärt er. „Ich möchte einfach die glücklichen Momente, die wir in unserer Familie mit Bailey erleben, an andere Menschen weitergeben und freue mich sehr darüber, wie positiv die kranken Kinder auf unsere Besuche reagieren.“

Angst völlig verloren

Emma ist eines dieser Kinder, die seit dem Frühjahr 2024 regelmäßig mit Bailey spielen. Die quirlige Sechsjährige kam zu früh auf die Welt, was ihre Nierenfunktion beeinträchtigte und ihre gesamte Entwicklung verzögerte. „Seit der Geburt waren wir hier immer wieder zu wochenlangen stationären Aufenthalten“, erinnert sich Emmas Mutter Sabrina Mertz. „Inzwischen sind es zum Glück nur noch halbjährliche ambulante Kontrolluntersuchungen im Sozialpädiatrischen Zentrum.“ Zusätzlich kommt Emma mindestens einmal monatlich zur Kinderklinik, um Bailey zu besuchen. „Unsere Tochter ist trotz der vielen gesundheitlichen Rückschläge und der Schmerzen, die sie erleiden musste, ein sehr aufgewecktes und fröhliches Mädchen“, berichtet Emmas Mutter. „Vor Hunden hatte sie bisher immer eher Angst, weil sie als Vierjährige einmal unerwartet von einem Labrador angesprungen wurde. Trotzdem verlief gleich die erste Begegnung mit Bailey total positiv, und jetzt hängt sogar ein Bild mit seinem Pfotenabdruck in ihrem Zimmer.“

Sprechfähigkeit verbessert

Noch mehr überrascht Sabrina Mertz jedoch, wie sehr die Begegnungen mit Bailey die Sprache ihrer Tochter unterstützen. „Emma hat in ihren ersten drei Lebensjahren kaum gesprochen und wenn, dann konnte nur ich verstehen, was sie meinte“, sagt sie. Jetzt hoffen die Eltern, dass ihre Jüngste dank ihrer großen sprachlichen Fortschritte im nächsten Jahr vielleicht sogar keine Förderschule mehr benötigen wird. „Bailey hilft Emma mehr als die Logopädie“, ist die Mutter überzeugt. „Seit sie gemerkt hat, dass der Hund ihre Kommandos nur dann befolgt, wenn er sie versteht, gibt sie sich beim Artikulieren viel mehr Mühe, auch bei der Logopädin.“ Emmas Mutter beschreibt schmunzelnd, wie das Mädchen kürzlich versuchte, die Familienkatze mit den gelernten Kommandos für Bailey zu trainieren. „Sie musste aber einsehen, dass das bei unserer Mieze trotz klarer Befehle und Leckerlis überhaupt nicht funktioniert“, sagt Sabrina Mertz lachend.

Die Anfrage, ob Interesse an einer tiergestützten Therapie bestehe, erhielten Emmas Eltern im Herbst 2023 von Marion Müller, langjährige leitende Erzieherin der Kinderklinik, die die Abläufe rund um das Projekt organisiert – so, wie sie sich für alles, was ihren Schützlingen guttun könnte, mit viel Herzblut engagiert. „Marion und ich arbeiten in puncto Therapiehund ganz eng zusammen“, betont Prof. Eitner. „Ohne ihre Unterstützung könnten Bailey und ich hier nichts ausrichten.“ Etwa 15 Stunden pro Monat wendet der Mediziner für die tiertherapeutischen Begegnungen mit den Kindern auf, inklusive jeweils einer Vor- und Nachbesprechung, um sich über die beteiligten Kinder zu informieren.

Down-Syndrom und Leukämie

Marion Müller begleitet zahlreiche junge Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen über viele Jahre hinweg. Dazu gehört neben Emma auch Fabian, der mit dem Down-Syndrom und einem schweren Herzfehler zur Welt kam, und dessen Mutter Tanja Haschke Marion Müller ebenfalls die Hundetherapie mit Bailey empfahl. „Wir waren seit seiner Geburt ohnehin ständig hier in der Klinik, und dann kam auch noch die Leukämie dazu“, berichtet Fabians Mutter. Inzwischen hat ihr Sohn den Krebs überstanden und kommt nur noch zur Kontrolle ins Uniklinikum Erlangen – und um Bailey zu treffen. Tanja Haschke hat insgesamt vier Söhne und ist für die besonderen Therapiestunden unglaublich dankbar, weil diese Fabian so viel Freude schenken. „Er ist insgesamt eher vorsichtig und distanziert. Er schaut sich meistens alles lieber von Weitem an, ohne sich selbst zu beteiligen“, erklärt sie. „Obwohl er alles versteht, was gesagt wird, kann er sich sprachlich so gut wie gar nicht ausdrücken.“ Um mehr Nähe zwischen Fabian und Bailey zu schaffen, holte sich Stephan Eitner das pädagogische Plazet von Marion Müller, um ein „Brotzeit-Ritual“ auszuprobieren: „Es gab etwas zu essen und zu trinken und Bailey lag dicht zwischen uns beiden. So kam Fabian automatisch mit Bailey in Kontakt, konnte sein weiches Fell spüren und ihn streicheln. Nach einer Weile hatte er dann auch Lust, mit ihm zu spielen“, erklärt der Hundebesitzer. Inzwischen geht Fabian offen auf den Hund zu und versucht, ihm seine Kommandos direkt verständlich zu machen.

Neue Freundschaft

Nachdem der junge Patient und sein tierischer Therapeut sich nähergekommen waren, gab es fortan gemeinsame Treffen mit der kleinen Emma, die Fabian inzwischen ebenfalls als Freundin angenommen hat. „Beim letzten Mal hat er sie zur Begrüßung in die Arme genommen und hochgehoben. Solche überschwänglichen Handlungen erleben wir mit ihm sonst nur in unserer Familie“, sagt seine Mutter. „Jetzt spielen die beiden gemeinsam mit Bailey und Fabian vermisst Emma, wenn sie mal nicht dabei sein kann.“ Weil der Junge keine Nässe auf der Haut mag, darf er Bailey seine Leckerlis auf einem speziellen Hundelöffel geben, den Prof. Eitner immer im Gepäck hat. Und auch Tücher zum umgehenden Händetrocknen hat der einfühlsame Therapiehundeführer immer für Fabian parat, falls Baileys Zuneigung doch einmal etwas feuchter ausfällt, als es dem Jungen lieb ist.

Bald auch in der Klinik

Unangenehme Nässe von oben, sprich Regenschauer, sind auch immer wieder der Grund dafür, dass Treffen mit Bailey im nicht überdachten Hinterhof der Kinderklinik abgesagt werden müssen. „Weil Tiere innerhalb der Klinik bisher nicht gestattet sind, können die Treffen nur draußen stattfinden“, erklärt Stephan Eitner. „Marion Müller und ich sind aber bereits im Gespräch mit unserem Justiziariat, um diese Situation zu verändern und neue vertragliche Grundlagen zwischen dem BRK und dem Uniklinikum zu schaffen.“ Als Therapiehund erhält Bailey jedes Jahr ohnehin spezielle tierärztliche Untersuchungen und Impfungen. „Im Moment sieht es so aus, dass alle rechtlichen Formalitäten bald geregelt sind und wir spätestens Anfang 2025 auch stationär behandelten Kindern und Jugendlichen die Begegnung mit Bailey ermöglichen können“, zeigt sich Prof. Eitner optimistisch.

Text: Kerstin Bönisch/Uniklinikum Erlangen; Fotos: Kerstin Bönisch, Michael Rabenstein/Uniklinikum Erlangen; zuerst erschienen in: Magazin „Gesundheit erlangen“, Winter 2024/25