Gesundheit erlangen -Herbst 2020

26 Medizin-Report Mittwochs zwischen 10.00 und 12.00 Uhr ist für Anne W. die schönste Zeit der Woche: In die- sen zwei Stunden erhält ihr demenzkranker Mann Besuch von Rentner Paul S. Die beiden alten Herren plauschen bei Tee und Keksen über frühere Sportsensationen oder über die Gartenpflege. Der 67-jährige Paul S. arbeitet als ehrenamtlicher Demenzpate und verschafft Anne W. damit jede Woche eine wertvolle Atem- pause von der Betreuung ihres demenzkranken Ehemanns Georg. „In dieser Zeit gehe ich spa- zieren oder setze mich einfach zum Zeitungle- sen in ein Café“, berichtet die 71-Jährige, die ihren Mann seit acht Jahren daheim versorgt. Trotz seiner fortschreitenden Demenz ist Georg W. sein stiller, freundlicher Charakter erhalten geblieben. Dennoch benötigt er aufgrund sei- ner zunehmenden Unselbstständigkeit prak- tisch rund um die Uhr eine helfende Hand und viel freundliche Geduld im Umgang. Keine Zeit für Pausen Für seine Pflege und Betreuung erhält Anne W. zweimal täglich Unterstützung von einem Ta- gespflegedienst. Dennoch richtet sie ihren kom- pletten Tagesablauf fast vollständig auf die Be- dürfnisse ihres Mannes aus. „Eine richtig ent- spannte Pause ist da außer am Mittwoch nicht möglich“, erklärt sie achselzuckend. „Eigentlich bin ich innerlich immer auf dem Sprung.“ Anne W. gehört zu den pflegenden Angehöri- gen, die eine aktuelle Studie der FAU Erlan- gen-Nürnberg (s. Kasten S. 27) als „zweite un- sichtbare Patienten“ bezeichnet, weil sie durch die Dauerbelastung der Pflege häufig selbst Demenz. Von den rund 1,7 Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland werden etwa zwei Drittel zu Hause von ihren Angehörigen versorgt. Eine Studie untersuchte jetzt, wie stark die Pflegenden selbst belastet sind. Handeln, bevor der Akku leer ist erkranken. Die Erhebung wurde am Interdiszi- plinären Zentrum für Health Technology Assess- ment und Public Health unter Leitung von Prof. Dr. Peter Kolominsky-Rabas durchgeführt; maßgeblich beteiligt war Prof. Dr. Elmar Gräßel von der Psychiatrischen und Psychotherapeuti- schen Klinik des Uni-Klinikums Erlangen. Das Ergebnis: Vor allem Frauen fühlen sich als pfle- gende Angehörige deutlich belastet. Wenn die weiblichen Angehörigen nicht ihren Ehepartner, sondern ein Elternteil zu versorgen hatten, stieg diese Belastung sogar noch weiter an. Fördern mit MAKS ® Doch wie können sich pflegende Angehörige Entlastung verschaffen? Als eine wirksame Hil- fe hat sich die nicht-medikamentöse MAKS ® - Therapie erwiesen, die Prof. Gräßel gemeinsam mit seinem Team entwickelt hat. Die vier Buch- staben MAKS ® bezeichnen die Komponenten „motorisch“ (M), „alltagspraktisch“ (A), „kogni- tiv“ (K) und „sozial“ (S). Dabei werden die zen- tralen menschlichen Grundbedürfnisse nach Bewegung, sinnvoller Beschäftigung, sensori- scher Anregung und sozialer Interaktion ange- sprochen. Prof. Gräßel: „Das Belastungserle- ben von Pflege- und Betreuungskräften wird entscheidend durch die Begleitsymptomatik von Menschen mit Demenz bestimmt, etwa Aggression und Unruhe. MAKS ® mindert diese Symptome und kann so die Situation der pfle- genden Angehörigen positiv beeinflussen.“ El- mar Gräßel erforscht seit Jahren die positive Wirkung der psychosozialen MAKS ® -Therapie bei Demenz und kognitiven Beeinträchtigungen in Pflegeheimen und in der Tagespflege.

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