Jahresbericht 2018 | 2019: Medizin. Menschen. Momente.

leichte kognitive Beeinträchtigungen ohne spe- zifische Ursache an sich feststellen, frühzeitig fachlich beraten“, argumentiert der Psychiater. Einen weiteren Vorteil des Erlangen Scores sieht Prof. Kornhuber darin, dass durch diese frühzeitige Risikoeinschätzung auch die Selbst- einschätzung des Patienten mehr Relevanz erhält. „Auch bei subjektiv wahrgenommenen Einschränkungen zeigen sich im Erlangen Score oft schon Veränderungen“, sagt er. Des- halb bewertet Prof. Lewczuk die Liquorunter- suchung ebenfalls als derzeit bestes Vorgehen, für eine frühe Demenzdiagnose. „Mit einer Lumbalpunktion, bei der wir im Bereich der Lendenwirbelsäule Nervenwasser entnehmen, und die den Patienten kaum belastet, kön- nen wir sehr viel herausfinden“, erklärt er. INTERNATIONALE HARMONISIERUNG Internationale Aufmerksamkeit erhält der Erlangen Score der beiden Wissenschaftler vor allem deshalb, weil er unabhängig von nationalen Grenzwerten und von den ana- lytischen Methoden des jeweiligen Labors identische Diagnoseergebnisse liefert. Prof. Lewczuk: „Wir haben mit dem Erlangen Score ein übergeordnetes Raster geschaffen, das die spezifischen Grenzwerte eines amerikani- schen oder europäischen Labors aufgreifen und als gemeinsame Normwerte interpretieren kann.“ Der Wissenschaftler leitete bereits mehrere internationale Konsortien zur De- menzforschung, bei denen er den Erlangen Score erfolgreich präsentierte. „In den USA werden präanalytische Prozesse hinsicht- lich eines Risikos für die Alzheimer-Demenz nach völlig anderen Methoden validiert als bei uns. Trotzdem kommen die US-Kollegen unter Verwendung des Erlangen Scores zu den gleichen Ergebnissen wie wir.“ Das nach DIN EN ISO 15189 akkreditierte Labor für Klinische Neurochemie und Neuro- chemische Demenzdiagnostik unter der Lei- tung von Prof. Lewczuk und Prof. Kornhuber gilt bundesweit als führendes Zentrum auf diesem Gebiet und analysiert als Speziallabor für Liquoruntersuchungen auch nationale und internationale Proben. „Oft können wir aber auch Patienten, die kognitive Auffälligkeiten an sich wahrnehmen, mit einer günstigen Prognose beruhigen“, betont der renommierte Demenzforscher Johannes Kornhuber. „Ergibt der Erlangen Score einen auffälligen Risiko- befund, können wir sehr früh umfassend dazu beraten, wie der Verlauf der Erkrankung durch eine veränderte Lebensweise positiv zu be- einflussen ist.“ Hilfreich sind dabei laut Prof. Kornhuber eine Ernährung mit mediterraner Kost, viel Bewegung sowie ein sinnerfülltes Leben. „Hinzu kommt, dass die Betroffenen sich ihre Lebensumstände entsprechend gestalten können, solange sie dazu noch in der Lage sind. Zum Beispiel durch ein soziales Netzwerk oder bestimmte Wohn- formen. Die frühzeitige Diagnose anhand unseres Erlangen Scores ermöglicht ihnen eine vorausschauende Weichenstellung.“ KB Im Labor untersuchen Prof. Dr. Johannes Kornhuber (l.) und Prof. Dr. Piotr Lewczuk Liquorproben auf spezifische Biomarker. F O R S C H E N L E H R E N U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 8 | 2 0 1 9 5

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