Jahresbericht 2019 | 2020: Medizin. Menschen. Momente.

„Für mich war klar: Wir müssen das machen, damit wir sagen können, wir haben alles versucht.“ Christa Fischer, Mutter von Martin Erlangen. Parallel dazu muss ein passender OP-Termin in der Kinderklinik festgelegt werden. Damit keine unnötigen Risiken für den kleinen Patienten entstehen, wird das Gewebe immer im Rahmen eines ohnehin anstehenden operativen Eingriffs entnommen. Im Fall von Martin wurde ein zentraler Venen- katheter als Vorbereitung für die Chemothe- rapie gelegt; in selbiger Sitzung entnahmen die Urologen drei reiskorngroße Hodenge- websstücke. Der 14-Jährige erinnert sich: „Nervös war ich vor der OP schon, aber Angst hatte ich nicht.“ Nach der Entnahme macht das Forschungslabor in der Kinder- klinik die Röhrchen fertig und schickt diese in der speziellen Transportbox nach Münster zurück, wo die Kollegen diese eigenhändig in Empfang nehmen, das Gewebe einarbeiten und die Zellen in der Kryobank einlagern. „Gehen die Forschungen mit menschlichen Zellen so gut weiter wie die bisherigen Versuche, ist es uns hoffentlich möglich, unsere ehemaligen Patienten mit reifen Stammzellen zu versorgen und ihren Kinder- wunsch zu erfüllen“, sagt Dr. Schwaiger. „In einer Studie wurden Patienten im jungen Erwachsenenalter befragt, die bereits eine Chemotherapie hinter sich gebracht haben. Mehr als 90 Prozent von ihnen sagten, sie hätten sich einen solchen fruchtbarkeits- erhaltenden Eingriff gewünscht, hätten sie die Möglichkeit dazu gehabt. Das bestätigt uns, dass Androprotect ein wichtiges For- schungsprojekt ist, das wir unterstützen wollen.“ Das Uni-Klinikum Erlangen darf das Verfahren seit Januar 2019 anbieten, seit- dem wurde entsprechendes präpubertäres Hodengewebe von drei Jungen entnommen. Als Martins großer Bruder an Leukämie er- krankte, gab es das Projekt noch nicht; daher ist sich Christa Fischer umso sicherer, bei ihrem Jüngsten die richtige Entscheidung ge- troffen zu haben: „Ich wollte ihm alle Möglich- keiten anbieten.“ Martin weiß, dass es keine Garantie dafür gibt, dass das Forschungspro- jekt es ihm später ermöglicht, eine eigene Fa- milie zu gründen. Er zuckt mit den Schultern und sagt: „Probieren geht über Studieren.“ Das „Mutterhaus“ des Netzwerks Androprotect ist das Uni-Klinikum Münster; derzeit sind in der dortigen Kryobank etwa 100 Zellproben mit Hodengewebe vorpubertärer Jungen eingelagert. 3 Gewebeproben ent- nehmen die Ärzte den kleinen Patienten: eine zur Untersuchung, eine zur Konservierung und eine weitere zum Auf- bau einer Forschungs- datenbank. AS Die erkrankten Jungen bekommen mit kindgerechter Sprache und Bildern vermittelt, wie und warum ihnen Hodengewebe entnommen werden soll. 15 H E L F E N H E I L E N U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 9 | 2 0 2 0

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