Jahresbericht 2019 | 2020: Medizin. Menschen. Momente.

UNKONVENTIONELLE WEGE Um ihre Entdeckung zu verifizieren, intensivier - te die Arbeitsgruppe der Medizin 3 ihre For- schung zu den Gallensteinen. Unter dem Dach des Deutschen Zentrums Immuntherapie am Uni-Klinikum Erlangen wurden sie von Kollegen aus der Medizinischen Klinik 1 – Gastroentero- logie, Pneumologie und Endokrinologie unter- stützt. Um möglichst viele unterschiedliche Gewebeproben untersuchen zu können, muss- ten sie teils unkonventionelle Wege gehen, die sie in OP-Säle, Museen und Schlachthöfe führten. Zum einen spendete die Viszeral- chirurgie der Haßberg-Kliniken Gallenflüssig - keiten und Gallensteine von Menschen, die sich sowieso entsprechenden Operationen hatten unterziehen müssen; zum anderen er- hielten die Wissenschaftler Material aus dem Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité – wo Kuratorin Navena Widulin die wahrscheinlich weltweit größte Sammlung von Gallensteinen pflegt – sowie Gallenflüssigkeit von geschlachteten Schweinen. NEUE THERAPIE IN AUSSICHT Durch die Entdeckung der Erlanger Forscher ergeben sich neue, bisher ungeahnte Behand- lungsmöglichkeiten für Betroffene. Bisher muss- ten Gallensteine in der Regel operativ entfernt werden; bei dem laparoskopischen Eingriff ent- nahmen die Ärzte in den meisten Fällen gleich die ganze Gallenblase (Cholezystektomie), um das Problem grundsätzlich zu beheben. Da bei diesem Vorgehen allerdings Kristalle in den Gallengängen verbleiben und später zu neuen Steinen verklumpen können, empfehlen Experten gerade stark betroffenen Patienten eine endoskopisch retrograde Cholangiopan- kreatikografie. Die ERCP hat den Vorteil, dass sie Diagnostik mit Therapie vereint und dass neben der Gallenblase auch die Gallengänge dargestellt und gegebenenfalls gleich von Steinen befreit werden können. Eine medika- mentöse Behandlung war bisher nur möglich, wenn ausschließlich Cholesterinsteine vorla- gen, die maximal fünf Millimeter groß waren. „Im Rahmen unserer intensiven Untersu- chungen beobachteten wir, dass sich Gallen- steine deutlich seltener oder sogar überhaupt nicht mehr bilden, wenn wir die Bildung der Netze pharmakologisch hemmen“, berich- tet PD Munoz. Die Wissenschaftler haben auch schon interessante Ansatzpunkte, bei- spielsweise einen bekannten Betablocker, der seit vielen Jahren zur Behandlung von Bluthochdruck verwendet wird und genau diesen Effekt hat. „Dass wir diesen Prozess erkannt haben – nämlich, dass das körper- eigene Immunsystem aktiv an der Bildung von Gallensteinen mitwirkt –, ist von großer Be- deutung“, betont Prof. Herrmann. „Wir gehen davon aus, dass sich unsere Erkenntnisse auf Nieren- und Speicheldrüsensteine übertragen lassen und dass somit auch für Patienten mit diesen Leiden Hoffnung auf neue, schonen- dere Behandlungsmöglichkeiten besteht.“ Vielfältig in Größe, Form und Farbe: Wie Gallensteine aussehen, hängt von mehreren Faktoren ab. Bei Pa- tienten in Deutschland entfernen Operateure meist die helle Variante (2. v. r.), die sogenann- ten Cholesterinsteine. F O R S C H E N L E H R E N U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 9 | 2 0 2 0 19 80 ml Bis zu 80 ml Flüssigkeit kann die Gallenblase fassen. Täglich werden insgesamt etwa 500 ml in den Zwölffingerdarm ausgeschüttet. 5 x 8 Die Gallenblase ist etwa fünf Zentimeter breit und acht Zentimeter lang. Sie hat die Form einer Birne. BM

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