Jahresbericht 2019 | 2020: Medizin. Menschen. Momente.

Motilität bezeichnet die nicht bewusst ge- steuerten Bewegungen des menschlichen Kör- pers und seiner Organe – etwa die Kontraktio- nen von Speiseröhre, Magen und Darm. 23 H E L F E N H E I L E N U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 9 | 2 0 2 0 stundenlang im Magen. Es folgen Völle- gefühl, Schmerzen, Übelkeit, Durchfälle und Erbrechen. BERUF GEHT DURCH DEN MAGEN Armin Bott aus Nüdlingen im Landkreis Bad Kissingen kennt diese Beschwerden; jahr­ zehntelang machte dem heute 55-Jährigen seine Verdauung zu schaffen: Er litt unter Sod­ brennen, seine Speiseröhre war dauerent­ zündet und voller Polypen. Mehr als 15 Jahre lang schluckte er Magensäureblocker. Grund für Armin Botts Symptome war zunächst ein Zwerchfellbruch, bei dem ein Teil des Magens durch eine Öffnung im Zwerchfell in den Brustraum gerutscht war. „Weil der Magen so weit oben hing, kam unten im Bauch kein Sättigungsgefühl an. Deshalb hatte ich per­ manent Hunger“, sagt der Patient. Zweimal wurde er operiert und alles schien sich zu bessern – bis die Ärzte schlechte Nachrichten hatten: Der Vagus-Nerv war funktionsunfähig geworden – und damit auch der Magen. Immer wieder musste Armin Bott erbrechen, litt unter starkem Völlegefühl und Übelkeit. „Und das als Koch in einer Klinikküche, wo ich ständig Essen abschmecken muss. Das ist fast unmöglich, wenn man sich dauernd übergibt. Ich hatte richtige Existenzängste.“ VERDAUUNG UNTER STROM Chirurg Christian Krautz erklärt: „Wir können eine solche Magenlähmung manchmal mit Diäten therapieren oder mit Medikamenten, die die Magenentleerung fördern. Außerdem ist es möglich, den Magenausgang chirurgisch zu erweitern und so dafür zu sorgen, dass die Nahrung besser Richtung Darm abtrans­ portiert wird. Wenn das aber alles nicht hilft oder nicht Erfolg versprechend ist, empfehlen wir einen Magenschrittmacher.“ Das fünf mal sechs Zentimeter kleine batteriebetriebene Gerät war schließlich auch für Armin Bott die beste Lösung. Die Chirurgen implantierten den Schrittmacher unterhalb der Rippen im Unterbauch und vernähten die zwei Elektroden des Geräts in der Magenwand. Der minimal­ invasive Eingriff erforderte drei kleine Schnit­ te und weniger als eine Stunde Zeit. Leichte elektrische Impulse – ausgehend vom Neuro­ FM stimulator im Bauchraum – regen seitdem Armin Botts Magen wieder zur Bewegung an. „Mit einem externen Programmiergerät pas­ sen wir Intensität und Frequenz der Strom­ impulse alle paar Monate an – je nachdem, wie der Patient zurechtkommt. Und wir über- prüfen regelmäßig, ob die Elektroden noch gut in der Magenwand verankert sind und ein- wandfrei arbeiten“, sagt PD Dr. Krautz. „Die Therapie ist umkehrbar – das heißt: Wir kön- nen die Stromimpulse reduzieren, den Schritt- macher bei Nebenwirkungen abschalten oder sogar wieder entfernen.“ In der Regel behält ein Patient das Gerät für fünf bis zehn Jahre, je nach Batterielaufzeit. Dann wird der Schrittmacher getauscht. „Sodbrennen und Erbrechen sind bei mir we- sentlich weniger geworden und die Entzün- dungen in der Speiseröhre haben sich gebes- sert“, berichtet Armin Bott. „Auch der Stuhl- gang hat sich eingespielt.“ Der 55-Jährige ernährt sich heute bewusster und ausgewo- gener als vor seiner OP. „Chips und O-Saft nimmt mir meine Verdauung übel, aber mit solchen kleinen Einschränkungen kann ich leben – die sind kein Vergleich zu den Stra- pazen vorher. Vor allem bin ich dankbar dafür, dass ich in meinem Beruf als Koch wieder viel entspannter arbeiten kann.“ Armin Bott mit Klinikdirektor Prof. Dr. Robert Grützmann (r.) und Oberarzt PD Dr. Christian Krautz bei der Nachkontrolle in der Chirurgie.

RkJQdWJsaXNoZXIy ODIyMTAw