Jahresbericht 2019 | 2020: Medizin. Menschen. Momente.

er 28. Oktober 2019 war ein Mon- tag, daran erinnert sich Herbert Schopper genau. Es war der Tag, an dem der heute 72-Jährige eine Infusion mit CAR-T-Zellen er- hielt: ein extra für ihn hergestelltes Produkt, ein „lebendes“ Medikament mit Milliarden seiner eigenen Immunzellen – ausgerüstet für den Kampf gegen den Krebs. Die Diagno- se – aggressiver Lymphdrüsenkrebs mit Befall des Magens – hatte Herbert Schopper schon im Jahr 2012 bekommen, kaum dass er in Rente gegangen war. „Damals habe ich plötzlich nachts unvorstellbar viel Blut er- brochen und wurde von einem Notarzt ins Krankenhaus gebracht“, berichtet der Patient. Es folgten mehrere Chemotherapien – erst alle drei, am Ende alle zwei Wochen – und immer wieder Bestrahlungen. Schließlich unterzog sich Herbert Schopper einer Hoch- dosis-Chemotherapie mit einer anschließen- den autologen Stammzelltransplantation. Das heißt: Herbert Schoppers eigene Stamm- zellen sollten sein blutbildendes Knochenmark wieder aufbauen. Doch alle drei Jahre kam der Schrecken zurück – als Rezidiv im Blind- darm. „Ich hatte irgendwann keine Kraft mehr für die Chemo und auch keine Hoffnung“, sagt Herbert Schopper. Ende 2019 empfahl ihm sein Onkologe, sich in der Medizinischen Klinik 5 – Hämatologie und Internistische Onkologie mit CAR-T-Zellen behandeln zu las- sen. „Das war für mich – wie man so sagt – alternativlos. Wer eine Heilung anstrebt, muss dieser neuen Behandlung irgendwann zu- stimmen, finde ich. Sonst geht’s auf der Treppe nur noch bergab.“ Nachdem der Rentner alle Voraussetzungen für eine CAR-T-Zell-Therapie erfüllt hatte, entschied er sich für die neue Behandlung – und für die Treppe nach oben. „CAR-T-Zellen kommen zurzeit nur für Patien- ten mit bestimmten B-Zell-Lymphomen und B-Zell-Leukämien infrage, die schon mehrere Chemotherapien oder andere Behandlungen hinter sich haben, bei denen die Erkrankung aber immer wieder aufflackert und so die Überlebenschancen stark minimiert. Trotzdem sollten die Betroffenen in einem guten Allge- meinzustand sein. Der Kreislauf muss stabil sein, Herz und Nieren sollten normal funktio­ nieren“, erklärt Prof. Dr. Andreas Mackensen, Direktor der Medizin 5, die komplexe Auswahl geeigneter Kandidaten. Das Alter ist aller- dings nicht unbedingt ausschlaggebend: Die Patienten, die am Uni-Klinikum Erlangen bisher CAR-T-Zellen erhielten, waren zwischen 18 und 80 Jahre alt. ENDE DES VERSTECKSPIELS Manche Krebszellen tarnen sich so geschickt, dass sie für das Immunsystem unsichtbar sind. Die CAR-T-Zell-Therapie setzt dieses Ver- steckspiel außer Kraft: Sie hilft der körper­ eigenen Abwehr – den T-Lymphozyten bzw. T-Zellen –, den Krebs aufzuspüren. Dazu werden dem Patienten zunächst aus dem Blut eigene Abwehrzellen entnommen und mit einem bestimmten Gen ausgestattet. Jenes ist der Bauplan für ein Protein auf der Oberfläche der T-Zelle – den chimären Anti - genrezeptor, kurz: CAR. Er ist die „Spezial- brille“, dank der die Körperabwehr bösartige Zellen erkennen und eine Immunreaktion gegen sie starten kann. Auf dem Markt gibt es momentan zwei kommerzielle CAR-T-Zell- Produkte. Eines davon erhielt auch Herbert Schopper. Zuvor bekam der Rentner aber noch eine vorbereitende Chemotherapie. „Diese eliminiert die körpereigenen Abwehr- zellen und schafft Platz für die neuen Immun- zellen, die wir dem Patienten einmalig per Infusion zuführen“, erklärt Prof. Mackensen. D Im GMP-Labor der Medizin 5 entstehen aus- schließlich CAR-T-Zell-Pro- dukte – für jeden Patienten individuell. Dank der Eigen- herstellung kann viel früher mit der Therapie begonnen werden. Die Labormitarbei- ter produzieren ab 2020 auch Präparate für andere deutsche Studienzentren. 15 Bis zum Frühjahr 2020 wurden in Erlangen 15 Krebskranke mit CAR-T-Zellen behandelt – einer von ihnen war Herbert Schopper. Im Laufe des Jahres 2020 sollen deutlich mehr Pa- tienten dazukommen. 31 H E L F E N H E I L E N U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 9 | 2 0 2 0

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