Jahresbericht 2019 | 2020: Medizin. Menschen. Momente.

41 H E L F E N H E I L E N U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 9 | 2 0 2 0 KB Teamsitzung in der Tagesklinik der Erlanger Psychosomatik: Prof. Erim (Mitte) bespricht aktuelle Patientenfälle mit der Leiterin Dr. Andrea Silbermann (r.) und Ärztin Sandra Löschel. schen Belastungsstörungen, sondern häufig auch an postmigratorischen Belastungen, wie Ausgrenzung, Diskriminierung oder gar Anfeindung. Auch zu diesem Thema forscht Prof. Erim intensiv: Bei dem Projekt „VIO- LIN – Verbale Gewalt in Institutionen gegen Migrantinnen, Migranten und Geflüchtete“ kooperiert die Erlanger Psychosomatik eng mit verschiedenen Einrichtungen der Fried- rich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Gemeinsam wollen die VIOLIN-Beteiligten ver- borgene Formen von Ausgrenzung und ver- baler Gewalt sichtbar machen und aus den gewonnenen Erkenntnissen Empfehlungen für eine kultursensible und egalitäre Kom- munikation in den Institutionen entwickeln. ANGEBOT FÜR MUSLIME Ebenfalls Teil der engagierten Psychotherapie für Migranten und Geflüchtete am Uni-Klini­ kum Erlangen ist das Angebot einer mobilen Beratung für muslimische Patienten. Als Pä- dagogin berät und begleitet Songül Saridemir- Yolveren seit August 2015 Patienten und ihre Angehörigen aus dem muslimischen Kultur- kreis. Das Konzept ihrer Arbeit ist interdiszi- plinär und ganzheitlich angelegt, berichtet die Kulturmittlerin: „Meine wichtigste Aufga- be ist die kultursensible Deutung und Erläu- terung medizinischer Perspektiven. Ich versu- che, gegenseitiges Verständnis zu schaffen und die Position des Einzelnen in diesem Dialog zu stärken.“ Unterschiede gibt es viele, zum Beispiel ist die Palliativversorgung für schwerstkranke Patienten in muslimischen Ländern nicht so verbreitet wie in Deutsch­ land und wird deshalb häufig falsch verstan­ den: als das Sterbenlassen des geliebten Menschen. „Meine Vermittlung hilft, die Grenzen zwischen der emotionalen Befind - lichkeit und den Sprachbarrieren zu über- winden. Oft spielen bestimmte Komponenten in der Kommunikation mit muslimischen Patienten eine entscheidende Rolle, die den Beteiligten gar nicht bewusst sind“, erklärt Songül Saridemir-Yolveren. Ihr Beratungsan- gebot können alle muslimischen Patienten des Uni-Klinikums Erlangen sowie ihre An- gehörigen bei Bedarf kostenfrei in Anspruch nehmen. „Wir bieten dieses Konzept deutsch- landweit als einzige klinische Einrichtung an“, erklärt Prof. Erim. „Das Wahrnehmen inter- kultureller Besonderheiten ist fester Bestand- teil unserer psychotherapeutischen Arbeit.“ 200 syrische Geflüchtete waren auch 2019 in hohem Maße seelisch belastet, obwohl sich ihre Lebensbedingun- gen seit der ersten Be- fragung 2017 deutlich verbessert hatten. Dies ergab eine Langzeitstu- die des Uni-Klinikums Erlangen. „Unser Ziel ist es, eine nachhaltige psychotherapeutische Versorgung für Geflüchtete zu etablieren.“ Prof. Dr. (TR) Yesim Erim, Leiterin der Psychosomatik

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