Jahresbericht 2019 | 2020: Medizin. Menschen. Momente.

kungen möglich. So kann im Körper ein regel- rechter Sturm von bestimmten Botenstoffen aufziehen. Dieses Zytokinfreisetzungssyndrom ist häufig; auch bei Herbert Schopper trat es auf. „In den ersten Tagen nach der Infusion war ich sehr schlapp. Mir war es sogar zu an- strengend, Wörter für die einfachsten Sätze zu finden“, berichtet er. Weil die Therapie auch das Nervensystem beeinflussen kann, werden alle CAR-T-Zell-Patienten genauestens von einem Neurologen beobachtet. „Die gute Nachricht ist: Wir beherrschen die Nebenwir- kungen und sie bilden sich in der Regel alle wieder zurück“, versichert Prof. Mackensen. Die bisherigen Erfolge rechtfertigen laut dem Onkologen einen Therapieversuch. „Das Zwei-Jahres-Überleben bei Patienten wie Herrn Schopper mit einem Rückfall des aggressiven Lymphoms liegt ohne CAR-T-Zell- Therapie bei 17 Prozent – bei einem Anspre- chen auf die CAR-T-Zellen bei 50 Prozent.“ Prof. Mackensen rechnet damit, dass CAR-T- Zellen als Nächstes gegen das multiple Mye- lom, das heißt gegen Knochenmarkkrebs, zugelassen werden. Komplizierter sei es, die Therapie auf solide Tumoren zu übertragen – also auf feste, begrenzte Geschwüre, die sich in unterschiedlichen Organen bilden. Um hier Wege zu finden, plant die Medizin 5 noch 2020 zwei große Studien – zunächst für Patienten mit gynäkologischen Tumoren und mit Lungenkrebs. „Ich glaube nicht, dass es irgendwann keine Chemotherapie, keine Bestrahlung und keine OPs mehr geben wird“, erklärt der Experte. „Aber höchstwahr- scheinlich können wir mit neuen Immun- therapien immer mehr Krebserkrankungen erfolgreicher und schonender behandeln.“ Herbert Schopper fühlt sich nach dem Ausku- rieren seiner anfänglichen Nebenwirkungen „prima“, wie er sagt. „Ich bin nicht mehr so geschlaucht und kraftlos wie während der ständigen Chemotherapien. Ich habe meine Entscheidung für die CAR-T-Zellen nicht be- reut“, bestätigt der 72-Jährige. Seit Anfang 2020 nimmt er keinerlei Medikamente mehr. Herbert Schopper fühlte sich nach seiner Infusion zunächst ziemlich energielos, dann bekam er eine leichte Lungenentzündung. „Aber wir haben ihn gut überwacht und medikamentös behandelt, sodass er sich von den Nebenwirkungen, die nicht ungewöhnlich sind, voll- ständig erholen konnte“, erklärt Prof. Mackensen. Prof. Mackensen (r.) über seinen Patienten: „Für ihn gab es keine Alternative mehr. Mit jedem Rezidiv ist der Krebs schwieriger zu behandeln. Herr Schopper hat von der CAR-T-Zell-The- rapie extrem gut profitiert. Wir dürfen also in gewisser Weise euphorisch sein, auch wenn wir Langzeit- daten erst noch sammeln müssen.“ 33 H E L F E N H E I L E N U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 9 | 2 0 2 0 FM

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