Jahresbericht 2019 | 2020: Medizin. Menschen. Momente.

39 H E L F E N H E I L E N U N I V E R S I T Ä T S K L I N I K U M E R L A N G E N J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 9 | 2 0 2 0 M Prof. Dr. (TR) Yesim Erim, Leiterin der Psy- chosomatik, veröffent- lichte bereits 2009 das Grundlagenwerk „Klinische Interkulturel- le Psychotherapie. Ein Lehr- und Praxisbuch“, das 2020 in neuer Auf- lage erscheinen wird. it anhaltenden Schmerzen, die ihn bereits seit Monaten quälten, kontaktierte Hakim S. im Herbst 2019 die Erlanger Ambulanz für Geflüchtete. Zuvor hatte der 30-jährige Syrer bereits mehrere Ärzte konsultiert und wurde schließlich an die Psychosomatische und Psychotherapeutische Abteilung verwiesen, die Prof. Dr. (TR) Yesim Erim seit 2013 leitet. „Wir diagnostizierten eine posttraumatische Belastungsstörung [PTBS], die eine massive Schmerzstörung ausgelöst hat, sowie einen daraus resultieren- den Schmerzmittelmissbrauch“, berichtet die Ärztin. Hakim S. lebt als anerkannter Flüchtling mit seiner neu gegründeten Familie in Erlangen und hat eine Arbeitsstelle im IT- Bereich gefunden. 2015 flüchtete er auf dem Landweg über die Türkei und Bulgarien nach Deutschland. „Das traumatisierende Erlebnis des Patienten war seine dreimonatige Inhaf- tierung in Bulgarien. Die psychische Belastung durch diesen willkürlichen Freiheitsentzug äußert sich auch durch Flashbacks, in denen er das Trauma der Haftsituation immer wieder in Bruchstücken durchlebt“, erläutert Prof. Erim. GESPRÄCHE STATT MEDIKAMENTE Hakim S. stammt aus einem Kulturkreis, in dem es weitverbreitet ist, eher über körper- liche Probleme zu sprechen als über seeli- sche. Auch die unreflektierte Einnahme von Medikamenten zur Symptombekämpfung gehört zu dieser Haltung. „In einer kultur- sensiblen Psychotherapie begegnen wir kulturellen Gepflogenheiten mit Verständnis“, betont die Leiterin der Erlanger Psycho- somatik. „Dazu gehört auch, uns seltsam er- scheinende Handlungen zu respektieren, wie etwa den regelmäßigen Besuch des Pati- enten bei einem religiösen Heiler, der ihm das Trinkwasser bespricht.“ Für Hakim S. ist es eine neue Erfahrung, dass seine phy­ sischen Probleme eine psychische Ursache haben und nicht mit Arzneien, sondern durch Gespräche zu behandeln sind. „Er erlebt erstmals, dass sich das Sprechen über die Erlebnisse positiv auf seinen Gesamtzu- stand auswirkt“, konstatiert Prof. Erim. In der Ambulanz für Geflüchtete der Psycho- somatik auf dem Kussmaul-Forschungs-

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