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Forschende gewinnen neue Erkenntnisse zur hereditären spastischen Paraplegie

Forschende gewinnen neue Erkenntnisse zur hereditären spastischen Paraplegie

Seltene Erkrankung im Fokus

Betroffene mit der seltenen Erkrankung hereditäre spastische Paraplegie Typ 11 (SPG11) könnten bald von aktuellen Forschungsergebnissen zu Krankheitsmechanismen und potenziellen Blut-Biomarkern profitieren: Analysen am Uniklinikum Erlangen identifizieren mögliche Ansatzpunkte für Therapien und Überwachung des Krankheitsverlaufs.

SPG11 ist eine seltene erbliche Form der Motoneuronerkrankung, mit geschätzt weniger als 500 Betroffenen in Deutschland. Die meisten Betroffenen entwickeln ab dem Kindes- oder Jugendalter komplexe neurologische Symptome mit voranschreitender kognitiver Beeinträchtigung, Gangstörung und Muskelschwund. Häufig führt dies im Verlauf der Erkrankung zu einer schweren Behinderung.

Am Uniklinikum Erlangen, wo die hereditäre spastische Paraplegie ursprünglich beschrieben wurde, hat sich eine interdisziplinäre Gruppe auf diese Erkrankung spezialisiert. Mit dem Ziel therapeutische Strategien für die SPG11 voranzutreiben, veröffentlichten die Forschenden nun neue Ergebnisse, die dazu beitragen, krankheitsspezifische Entzündungsmechanismen im Gehirn zu entschlüsseln und Biomarkerprofile zu identifizieren.

Eine wichtige neue Erkenntnis betrifft die Rolle des Immunsystems bei SPG11. Durch die Durchführung umfassender immunologischer Analysen, einschließlich der Untersuchung von postmortalem Hirngewebe, der Erstellung von Profilen peripherer Blutzellen und patientenspezifischer induzierter pluripotenter Stammzellen, entdeckte das Team eine entscheidende Beteiligung der angeborenen Immunzellen bei SPG11. In Gehirnen von verstorbenen SPG11-Betroffenen beobachteten sie spezielle Aktivierungsmuster von sogenannten Mikrogliazellen genau dort, wo auch Nervenzellschäden vorhanden waren.

Dieser Befund passt zu den erhöhten Werten proinflammatorischer Zytokine, die sie im Blut einer größeren Patientenkohorte aufzeigten. Darüber hinaus wurde in der Studie ein molekularer Mechanismus identifiziert, der eine Verbindung zwischen der Hyperaktivierung des Immunsystems und der krankheitsverursachenden Genveränderung herstellt und dadurch potenzielle Ansatzpunkte für immunmodulatorische Therapien bietet.

Auf dem Weg zu Therapiestudien bei SPG11 fehlen heutzutage noch Biomarker, also Blutwerte, die ein Ansprechen nachweisen können. Bei der Analyse der Plasmaproben von SPG11-Betroffenen fand das Team deutlich erhöhte Konzentrationen von Neurofilamenten. Darüber hinaus stiegen die Neurofilamentwerte bei allen SPG11-Betroffenen bereits im Verlauf eines Jahres weiter an, was darauf hindeutet, dass dieser Biomarker ein vielversprechendes Instrument zur Überwachung der Krankheitsaktivität und des Krankheitsverlaufs sein könnte.

„Diese Ergebnisse stellen einen bedeutenden Fortschritt in unserem Verständnis der SPG11 dar und geben Hoffnung auf verbesserte diagnostische und therapeutische Ansätze“, erklärte PD Dr. Martin Regensburger, der die SPG11-Forschungsgruppe in der Stammzellbiologischen Abteilung (Leiterin: Prof. Dr. Beate Winner) und am Zentrum für Seltene Bewegungserkrankungen des Uniklinikums Erlangen betreut. „Indem wir die Mechanismen der Neuroinflammation entschlüsseln und zuverlässige Biomarker identifizieren, wollen wir die Versorgung der Betroffenen verbessern und die Entwicklung gezielter Behandlungen für diese komplexe Erkrankung beschleunigen.“

Die beschriebenen Studien „Neuroinflammatory disease signatures in SPG11-related hereditary spastic paraplegia patients“ und „Plasma Neurofilaments: Potential Biomarkers of SPG11-related Hereditary Spastic Paraplegia“ wurden von Forschenden des Uniklinikums Erlangen und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg geleitet. Die Publikationen sind online verfügbar.

Weitere Informationen:

PD Dr. Martin Regensburger
09131 85-39324
martin.regensburger(at)uk-erlangen.de

Quelle: uni | mediendienst | forschung Nr. 35/2024