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Prof. Dr. Reinhold Eckstein

Prof. Dr. Reinhold Eckstein

Nachruf

Am 11.03.2023 verstarb in Erlangen Professor Reinhold Eckstein, der die Transfusionsmedizinische und Hämostaseologische Abteilung von 1992 bis 2018 leitete. Wir trauern um eine der prägenden Persönlichkeiten des klinischen Fachs Transfusionsmedizin.

Lebensdaten

Reinhold Eckstein wurde am 9. Januar 1949 in München geboren. Nach seinem Abitur am humanistischen Wilhelmsgymnasium in München leistete er seinen Grundwehrdienst als Sanitäts-soldat bei der 1. Gebirgsdivision der Bundeswehr an den Standorten Traunstein, Kempten, München und Mittenwald. Anschließend studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Medizin. Nach Tätigkeiten an der Chirurgischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses München Oberföhring und der Medizinischen Klinik I im Klinikum Großhadern der Universität München schloss er die Medizinalassistentenzeit an der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen des Deutsches Herzzentrums München ab und arbeitete dort als Assistenzarzt unter seinem ersten Lehrer Professor Werner Rudolph.

1978 promovierte er sich über das Thema „Die zelluläre Immunität bei chronischer lymphatischer Leukämie und Lymphogranulomatose im Vergleich zu Normalpersonen - eine lymphozytenkinetische Untersuchung“ bei dem Hämatologen Professor Herbert Begemann an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1979 wechselte er von der Kardiologie in die Hämatologie und wurde Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik III des Klinikums Großhadern bei Professor Wolfgang Wilmanns. Dort erlernte er gleichzeitig die Transfusionsmedizin unter Anleitung von Professor Wolfgang Mempel. 1986 erwarb er die Anerkennung als Facharzt für Innere Medizin und noch im gleichen Jahr die Zusatzbezeichnung Transfusionsmedizin, 1989 die Zusatzbezeichnung Hämatologie, 1994 die neu geschaffene Anerkennung als Facharzt für Transfusionsmedizin, 2003 die Zusatzbezeichnung Bluttransfusionswesen und 2004 die damals eingeführte Zusatzbezeichnung Hämostaseologie.
1987 habilitierte sich Reinhold Eckstein an der Ludwig-Maximilians-Universität München für das Fach Innere Medizin über das Thema „Immunologische In-vitro-Untersuchungen bei Gesunden und Patienten mit Herzmuskelerkrankungen entzündlicher Genese, Histiozytose-X und Immunthrombo-zytopenie“. Zeitgleich erhielt er zum 31.12.1986 die Berufung und Ernennung zum Univer-sitätsprofessor C2 für Experimentelle Hämatologie an der Abteilung Innere Medizin und Poliklinik mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie unter Professor Dieter Huhn. Gleichzeitig wurde er Leiter der Blutbank des Universitätsklinikums Charlottenburg, später Universitätsklinikum Rudolf Virchow, der Freien Universität Berlin.

Am 18.09.1991 erhielt Professor Reinhold Eckstein den Ruf des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst auf die C3-Professur für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, den er am 06.04.1992 annahm. Am 01.09.1992 erfolgte seine Ernennung zum Universitätsprofessor (C3) auf Lebenszeit und Bestellung zum Leiter der selbständigen Abteilung für Transfusionsmedizin, seit 2005 Transfusions-medizinische und Hämostaseologische Abteilung, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Zum 01.04.2018 konnte er die Abteilung mit einer mit ihr nun verbundenen W3-Professur für Transfusionsmedizin und Cell-Engineering an seinen Nachfolger Professor Holger Hackstein übergeben.

Nach über 40 Jahren im Berufsleben trat Professor Dr. Reinhold Eckstein 2018 in den wohlverdienten Ruhestand. Seither beschäftigte er sich wieder vermehrt mit seinen wichtigen Interessenschwe-rpunkten alte Sprachen und Geschichte Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert.

Berufspolitisches und ehrenamtliches Engagement
„Eine Gesellschaft lebt auch durch ihre Funktionsträger und durch Mitglieder, die bereit sind, Funktionen zu übernehmen.“ Diesem Satz, den er im Jahr 2004 ans Ende seines Beitrages zur damals 50-jährigen Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) stellte, wurde kaum jemand so gerecht wie Reinhold Eckstein selbst.
Seit 1990 war Professor Eckstein ohne Unterbrechung neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit auch berufspolitisch im Interesse des Fachs Transfusionsmedizin engagiert. Von 1990 bis 1994 war er Vorsitzender der Berufspolitischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI), ab 1994 bis 2012 Mitglied im Vorstand des Berufsverbandes der deutschen Transfusionsmediziner (BDT). Von 1992 bis 2003 war er Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie. Von 1995 bis 2006 war er Schriftführer der DGTI, anschließend zwei Jahre ihr zweiter Vorsitzender und in den Jahren 2009 und 2010 Erster Vorsitzender der DGTI. Schließlich wurde er im März 2010 in den Wissenschaftlichen Beirat für das Sanitäts- und Gesundheitswesen der Bundeswehr beim Bundesminister der Verteidigung (Wehrmedizinischer Beirat) berufen.

Im Universitätsklinikum Erlangen war Professor Eckstein von 1996 bis 2004 und erneut von 2009 bis kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt im Jahr 2018 einer der Stellvertretenden Ärztlichen Direktoren. In diese Amtszeiten fielen viele für die Zukunft des Universitätsklinikums sehr weitreichende und zukunftssichernde Vorstandsentscheidungen. Am wichtigsten für den Standort Erlangen war die Entscheidung, den Weg zur Errichtung von Neubauten für die großen Kliniken des Universitätsklinikums zu beschreiten. Seither wurden das Nichtoperative Zentrum sowie der Neubau des Chirurgischen Bettenhauses errichtet. Der Neubau des OP- und Funktionstrakts für die Operativen Fächer steht vor seiner Vollendung. Eine weitere, auch für die Transfusionsmedizinische und Hämostaseologische Abteilung wichtige Entscheidung wurde in der Laborrestrukturierung getroffen. Hier beschloss der Klinikumsvorstand eine Reorganisation, die unter dem Motto der fachspezifischen Zentralisierung erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven erschloss und gleichzeitig die fachspezifische klinische Bindung der Diagnostik erhielt, die an so vielen Orten verloren ging, was stets einen Verlust an klinischer und fachlicher Versorgungsqualität zur Folge hat. In diesem Zuge erfolgte die vollständige Zusammenführung der immunhämatologischen und der hämostaseologischen Diagnostik in der Transfusionsmedizinischen und Hämostaseologischen Abteilung. Im Jahr 1998 wurde eine Stammzellbank mit Reinraum-GMP-Laboratorien aufgebaut, die in der Folgezeit zweimal baulich erweitert wurde. Schließlich erfolgte gegen Ende von Professor Ecksteins Amtszeit der Beschluss des Klinikumsvorstands zur Errichtung eines Neubaus der Blutspende, dessen Inbetriebnahme im Jahr 2022 er noch erleben durfte.


In Würdigung dieses außergewöhnlichen jahrzehntelangen ehrenamtlichen Engagements für die Transfusionsmedizin und für das Universitätsklinikum Erlangen wurde Professor Reinhold Eckstein im Jahr 2017 mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.


Transfusionsmedizinische Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit
Die ersten wissenschaftlichen Arbeiten Reinhold Ecksteins galten der Suppressorzellaktivität bei Myokarditis und kongestiver Kardiomyopathie, dem HLA-System und der gemischte Lymphozyten-kultur (MLC) sowie immunfunktionellen Parametern bei Histiozytose X und Immunthrombozytopenie. Im Weiteren traten transfusionsmedizinische Arbeiten zu den Themen Stammzellseparation und Eigenblutspende hinzu. Die Publikationen, Buchbeiträge und Referate Professor Ecksteins umfassen die Transfusionsmedizin, die Immunhämatologie und die Hämostaseologie in ihrer ganzen Breite.


Zu den wichtigsten Entwicklungen zählt ohne Zweifel die Etablierung einer erfolgreichen Forscher-gruppe, aus der heraus etwa 130 Promotions- und acht Habilitationsverfahren erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Die wissenschaftliche Tätigkeit der Erlanger Transfusionsmedizin und Hämostaseologie umfasste während Professor Ecksteins Amtszeit die klinische Transfusionsmedizin, die autologe Hämotherapie, die immunhämatologische Diagnostik und die Transplantationsimmu-nologie. Einen besonderen Schwerpunkt nahmen die zahlreichen Arbeiten auf dem Gebiet der Zell-gewinnung mittels Apheresespende ein, namentlich die Weiterentwicklung der Thrombozytapherese sowie die Verfahren zur Gewinnung verschiedener Leukozytenkonzentrate. Daneben hat sich die von Professor Eckstein geleitete Gruppe in hervorragender Zusammenarbeit mit dem Kaufmännischen Direktor des Universitätsklinikums Erlangen, Dr. Albrecht Bender, sowie dem inzwischen verstorbenen Göttinger Emeritus Professor Dr. iur. Erwin Deutsch zu der führenden Arbeitsgruppe auf dem Feld des Transfusionsrechts entwickelt.


Über die Beteiligung der Abteilung an der Lehre im Hauptfach 13, Laboratoriumsdiagnostik, im zweiten Abschnitt der Approbationsordnung für Ärzte und die Beteiligung am Blockpraktikum Chirurgie gelang es, die Transfusionsmedizin und die Hämostaseologie im Pflichtunterricht für alle Medizinstudenten an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zu verankern.


Würdigung
Die herausragende Leistung Professor Ecksteins bestand in der stetig weiterentwickelten Verknüpfung der Patientenversorgung mit Forschung und Lehre und der klinischen Patientenbetreuung am Bett mit der Diagnostik im Labor. Am Universitätsklinikum Erlangen wurde auf diese Weise eine für das klinische Fach Transfusionsmedizin beispielgebende klinikintegrierte Transfusionsmedizin ausgebaut, die in dieser Form einzig in der Bayerischen Hochschulmedizin ist und für eine optimale Qualität der transfusionsmedizinischen und hämostaseologischen Patientenversorgung steht. Darüber hinaus be-einflusste sein unermüdliches ehrenamtliches Engagement in der wissenschaftlichen Fachgesellschaft und im Berufsverband die Transfusionsmedizin im gesamten deutschen Sprachraum. Mit Professor Eckstein verliert die deutsche Transfusionsmedizin eine der prägenden Persönlichkeiten der letzten 50 Jahre. Unsere Erinnerung wird nicht aufhören, seiner zu gedenken. Wir trauern um einen charakterstarken besonderen Menschen.