Damit Sophia wieder tanzen kann
Neues Kompetenznetz für Kinder- und Jugendsportmedizin bringt junge Menschen sicher in Bewegung
Was, wenn ein Herzfehler, eine chronische Erkrankung oder ein orthopädisches Problem sportbegeisterte Kinder und Jugendliche ausbremst? „Dann gibt ihnen unser Kompetenznetz für Kinder- und Jugendsportmedizin wieder Sicherheit und die medizinisch fundierte Erlaubnis, sich körperlich zu belasten“, erklärt Oberärztin PD Dr. Dr. Isabelle Schöffl von der Kinderkardiologischen Abteilung (Leiter: Prof. Dr. Sven Dittrich) des Uniklinikums Erlangen. Auch die zehnjährige Sophia profitiert von diesem neuen Angebot.
Sophia kann Räder schlagen – mit einer Hand. Sie kann Spagat „und hat Bauchmuskeln, die uns alle neidisch machen“, sagt ihre Mutter Christina A. Sophia liebt das Gardetanzen. „Ich mag es, auf der Bühne zu stehen“, erklärt die Zehnjährige, die mit ihrer Familie im Landkreis Erlangen-Höchstadt lebt. „Ich trete zum Beispiel gern in Seniorenzentren auf. Wenn die älteren Leute sich so freuen – das gefällt mir besonders gut.“ Sophia hat Kraft und Ausdauer, sie ist fit – eigentlich. Denn: Die Faschingssaison 2025 verbrachte das Mädchen in der Kinder- und Jugendklinik des Uniklinikums Erlangen. „Statt zu tanzen, hing sie am Tropf“, erzählt ihre Mutter.
Nur 2 von 100.000 Kindern erkranken – Sophia ist eines davon
Sophia hatte eine bakterielle Infektion mit Streptokokken, die konsequent antibiotisch behandelt wurde. „Nach zwei, drei Wochen fielen mir aber ihre unruhigen Bewegungen und Sprachstörungen auf“, berichtet Christina A. Sophia wurde in der Erlanger Kinderklinik stationär aufgenommen. „Sie bekam infolge der Streptokokkeninfektion ein extrem seltenes rheumatisches Fieber – als Überreaktion des Immunsystems. Das ist hierzulande heute extrem selten“, weiß Kinderkardiologin Dr. Schöffl. Das Risiko, als Kind daran zu erkranken, liegt bei unter 2 zu 100.000. „Die Entzündung griff das Bewegungszentrum im Gehirn an – und das Herz“, erklärt die Ärztin. „Wir haben bei Sophia eine mittelgradige Aortenklappeninsuffizienz festgestellt: Ihre Herzklappe schließt infolgedessen nicht mehr richtig.“ Die damals Neunjährige, die bis dahin supersportlich gewesen war, konnte plötzlich keinen Schritt mehr gehen, nicht mehr richtig stehen, sitzen, atmen, sprechen und schlucken. „Ich habe Sophia im Rollstuhl durch die Klinik geschoben“, erinnert sich Christina A.
Sportmedizinische Untersuchungen in Erlangen und Bamberg
Während ihres stationären Aufenthalts am Uniklinikum Erlangen wurde Sophia regelmäßig von Dr. Schöffl untersucht. Dabei erfuhren sie und ihre Familie auch von der sportmedizinischen Diagnostik für junge Menschen, die die Erlanger Kinderkardiologie fortan unter dem Dach des Kompetenznetzes für Kinder- und Jugendsportmedizin Nordbayern anbietet. „Wir sind eine offizielle Untersuchungs- und Beratungsstelle des Bayerischen Landes-Sportverbands und sowohl für junge Hobby- als auch für Leistungssportlerinnen und -sportler da. Wir betreuen auch Kader und Vereine“, erklärt Isabelle Schöffl. Neben dem Uniklinikum Erlangen gibt es eine zweite Anlaufstelle am Zentrum für interdisziplinäre Sportmedizin am Klinikum Bamberg. „Das hat den Vorteil, dass Patientinnen und Patienten schneller Termine bekommen und den Standort je nach Wohnsitz wählen können“, sagt die Kinderherzexpertin. Während Erlangen den Fokus – wie bei Sophia – auf Herzerkrankungen legt, aber auch auf orthopädische Beeinträchtigungen, Behinderungen, Laufsport und Fußball, konzentriert sich das Bamberger Team insbesondere auf Klettern, Skitouren und anderen Bergsport. „Wir ergänzen uns gut, können uns gegenseitig Patientinnen und Patienten zuweisen und durch die insgesamt größere Zahl an betreuten Kindern und Jugendlichen auch aussagekräftigere Forschung betreiben“, erläutert Isabelle Schöffl. „Wir möchten noch viel mehr Kinder und Jugendliche wie Sophia wieder in Bewegung bringen – egal, ob sie schon länger krank sind, erst neuerdings Beschwerden haben oder einfach unsicher sind, wie sie trainieren sollen“, sagt Dr. Schöffl, die selbst sehr ambitioniert klettert, läuft und Ski fährt. Sie betont: „Kinder, die sich gern und viel bewegen, legen den Grundstein für eine gesunde Entwicklung und ein insgesamt aktives Leben. Sport stärkt zum Beispiel das Herz – deshalb sollen auch Patientinnen und Patienten mit einem Herzfehler unbedingt aktiv sein, natürlich nach einer eingehenden sportmedizinischen Diagnostik, Risikoabschätzung und Empfehlung. Das alles können wir hier anbieten – und zwar im Team aus Kinderkardiologie und Unfallchirurgie-Orthopädie.“
Leistungstest auf dem Laufband
Sportwissenschaftler Nicolas Müller lotet deshalb mit Sophia aus, was noch beziehungsweise was schon wieder möglich ist. Er bereitet sie für eine Spiroergometrie auf dem Laufband vor – eine sportmedizinische Untersuchung von Herz, Lunge und Kreislauf. Dafür legt Nicolas Müller dem Mädchen eine spezielle Atemmaske an, EKG-Elektroden, ein Blutdruck- und ein Sauerstoffmessgerät. „Du läufst ungefähr zwölf Minuten. Dabei wird das Laufband immer steiler, das Tempo schneller“, erklärt er. „Du gibst einfach alles. Es kann nichts passieren.“ Ein Sicherungsseil hält Sophia, sollte sie straucheln. Langsam läuft sie los, beschleunigt, zeigt zwischendurch auf einer farbigen Zahlenskala mehrfach an, wie fordernd es gerade für sie ist. 11 – leicht. 15 – anstrengend. 17 – sehr anstrengend. Sophia geht ins Joggen über, das Laufband zeigt steil bergauf. Die finale Auswertung auf Nicolas Müllers Monitoren beweist: Das Zusammenspiel zwischen Herz und Lunge funktioniert gut, der Kreislauf ist belastbar. „Sie liegt in ihrer Altersklasse über der Norm. Zwar ist sie noch nicht auf dem hohen Niveau von früher, aber sie ist sehr gut“, urteilt der Sportwissenschaftler und rät der Mutter: „Bauen Sie mit ihr intensive 30-sekündige Trainingseinheiten in den Alltag ein – Trampolinspringen, Seilhüpfen, Treppenläufe. Danach eine Minute Pause und noch zwei, drei Durchgänge. Das Ganze zwei- bis dreimal die Woche.“
Kinderkardiologische Untersuchung nimmt Ängste
Nach Sophias Laufbandanalyse geht es für sie anschließend noch zum Herz-Ultraschall bei Dr. Schöffl. Die Ärztin stellt, verglichen mit vorherigen Untersuchungen, sogar Verbesserungen fest. Sophias Mutter ist nun beruhigter. „Das alles war für mich extrem interessant – dieses Ausloten der Grenze zwischen Fordern und Überfordern. Dass sie das Laufen so durchgezogen hat – unglaublich, wenn ich an die Zeit im Rollstuhl denke. Sie hat einen unheimlichen Ehrgeiz, und der hat uns in der ganzen Zeit auch sehr geholfen.“ So groß das Pech mit dem rheumatischen Fieber gewesen sei, so dankbar sei Christina A. jetzt für Dr. Schöffl, die ihr so viele Ängste genommen habe. „Diese Ärztin ist ein Sechser im Lotto!“, ist die Mutter überzeugt. Die Kinderkardiologin erklärt: „Wenn Eltern bei uns sehen, was ihr Kind eigentlich kann, gibt ihnen das oft den Glauben zurück. Das Kind ist selbstwirksam, es kann und darf sich bewegen.“ Abschließend richtet sich Isabelle Schöffl noch einmal an ihre junge Patientin: „Was sollst du der Mama sagen, wenn sie sich Sorgen macht?“ – „Ich bin ein gesundes Kind!“, ruft die Zehnjährige, und gibt ihrer Ärztin ein High five.
Sportärztliche Untersuchungsstelle für Kinder und Jugendliche:
https://www.kinderkardiologie.uk-erlangen.de/patienten/sport/
Weitere Informationen:
PD Dr. Dr. Isabelle Schöffl
09131 85-33721
ke-ambulanzanmeldung(at)uk-erlangen.de