Das große Flattern
Mikrobiologe sensibilisiert für das richtige Verhalten bei Kontakt mit Fledermäusen – nachträgliche Tollwutimpfung schützt vor tödlicher Erkrankung
Gerade im Hochsommer, wenn die Tage lang sind und vieles draußen stattfindet, kann es passieren, dass Mensch und Wildtier sich in freier Natur begegnen. So sind auch Kontakte mit Fledermäusen nicht unwahrscheinlich. „Wer ein solches Tier findet oder von ihm berührt wird, sollte einiges beachten, denn Fledermäuse können in seltenen Fällen Tollwutviren übertragen“, erklärt PD Dr. Jürgen Held, Oberarzt des Mikrobiologischen Instituts – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene (Direktor: Prof. Dr. Christian Bogdan) des Uniklinikums Erlangen. Die Tollwut ist eine nahezu immer tödlich verlaufende Erkrankung, entsprechend mahnt der Experte zur Vorsicht.
„Es stimmt, dass Deutschland seit fast zwei Jahrzehnten frei ist von terrestrischer Tollwut, die unter anderem durch Füchse oder Waschbären übertragen wird. Aber bei Fledermäusen existiert die Krankheit weiterhin“, erläutert Dr. Held. In Bayern wurden bisher 2.000 Fledermäuse auf Erreger der Fledermaustollwut hin untersucht. Davon wurden neun Tiere (0,45 Prozent) positiv getestet. Bislang kamen in Deutschland noch nie Menschen zu Schaden. „Von Fledermäusen geht keine direkte Gefahr aus – selbst wenn sich ein Fledermausquartier in unmittelbarer Nähe, zum Beispiel im häuslichen Umfeld, befindet. Die Tiere sind unter anderem nützliche Schädlingsvertilger und stehen unter einem strengen gesetzlichen Schutz“, sagt Jürgen Held. „Doch auch wenn das Risiko einer Tollwutansteckung sehr gering ist, kann der direkte Kontakt mit einem der Tiere gefährlich sein. Deshalb befürworten wir nach einem potenziell riskanten Ereignis eine postexpositionelle Tollwut-Immunprophylaxe, kurz PEP. Dabei handelt es sich um eine Impfserie nach einem vorgegebenen Schema“, sagt Dr. Held. In der Regel heißt das: vier bis fünf Impfungen im Zeitraum von vier Wochen. Zusätzlich wird bei bisher Ungeimpften noch Tollwut-Immunglobulin um die Wunde herum injiziert. Dies soll die Viren lokal binden und sie davon abhalten,ins Nervensystem einzudringen.
Was ist ein gefährlicher Kontakt?
Potenziell gefährliche Kontakte sind laut Robert Koch-Institut (RKI) vor allem Bisse oder Kratzwunden durch Fledermäuse, aber auch nicht blutende, oberflächliche Kratzer oder Hautabschürfungen sowie das Ablecken oder Anknabbern nicht intakter Haut, denn Tollwutviren werden über den Speichel infizierter Fledermäuse übertragen. Aufgrund der geringen Überwachungsintensität kann das Vorkommen der Fledermaustollwut laut RKI nirgends ausgeschlossen werden. „Betroffene sollten Biss- oder Kratzwunden deshalb sofort unter fließendem Wasser gründlich mit Seife auswaschen und dann eine Ärztin oder einen Arzt kontaktieren“, sagt Dr. Held. „Nach allen oben genannten Ereignissen sollte bei Ungeimpften innerhalb von sieben Tagen mit einer Tollwut-Impfserie begonnen werden und gegebenenfalls simultan auch Tollwut-Immunglobulin verabreicht werden. Bei bereits grundimmunisierten Personen werden zwei weitere Impfdosen empfohlen.“
Bisher drei Betroffene am Uniklinikum Erlangen
Am Uniklinikum Erlangen gab es zuletzt drei Patientinnen und Patienten, die aufgrund eines Fledermauskontakts nachträglich gegen Tollwut geimpft werden mussten. „Die Verunsicherung bei den Betroffenen, aber mitunter auch bei Ärztinnen und Ärzten, ist oft groß“, weiß Dr. Held. So ging es auch einer 41-jährigen Patientin aus Erlangen, deren Kinder zusammen mit Freundinnen und Freunden eine Fledermaus im Garten fanden. Die 41-Jährige schickte die Kinder zum Händewaschen und nahm das Tier dann selbst in die Hand. „Dass Fledermäuse Tollwut übertragen können, wusste ich da noch nicht“, sagt sie. „Erst als wir ein Fledermausfoto per WhatsApp verschickten, meldete sich eine Freundin, die Hausärztin ist. Sie sagte, wir sollten uns wegen der Tollwutgefahr unbedingt medizinisch beraten lassen. Ich war besorgt, weil die Fledermaus auf meiner Hand herumgekrabbelt war. Ob sie oberflächliche Kratzer hinterlassen, geleckt oder geknabbert hatte, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen. Letztlich habe ich mich für eine Tollwut-Impfung entschieden.“ Der Mikrobiologe ordnet die Situation ein: „Wer eine Fledermaus findet, sollte sie – wenn überhaupt – nur mit dicken Lederhandschuhen anfassen. Das gilt auch für tote Tiere. Und dann sollte man am besten eine fachkundige Person hinzuziehen, die sich mit Fledermäusen auskennt und in der Regel auch immer tollwutgeimpft ist.“ Auch die 41-Jährige Erlangerin rief eine entsprechende Fachberaterin an. „Die Fledermaus ist also in guten Händen“, berichtet die Finderin.
Auch ein junger Mann aus der Nähe von Bamberg kam eines Abends mit einem der Tiere in Berührung und wurde von ihm am Arm gekratzt. Drei Tage unternahm er nichts, dann machte er sich doch Sorgen. In zwei Kliniken habe man ihn mit der Aussage abgewiesen, dass nichts unternommen werden müsse. Schließlich nahm er Kontakt mit der Mikrobiologie des Uniklinikums Erlangen auf: „Der Patient war ungeimpft und wir haben aufgrund des Kratzers dafür plädiert, schnellstmöglich mit einer nachträglichen Immunprophylaxe, also einer PEP, zu beginnen. Es gab eine klare Indikation“, betont Dr. Held. „Auf keinen Fall sollte man warten, bis sich Symptome entwickeln. Hat das Tollwutvirus erst einmal das zentrale Nervensystem erreicht, ist es für die Verhinderung der tödlich verlaufenden Tollwuterkrankung zu spät.“
Weitere Informationen:
PD Dr. Jürgen Held
09131 85-46903
juergen.held(at)uk-erlangen.de