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Diagnose und Therapie von ME/CFS: Was lässt sich aus Long COVID lernen?

Diagnose und Therapie von ME/CFS: Was lässt sich aus Long COVID lernen?

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek und Ausschussvorsitzender Bernhard Seidenath informierten sich in Erlangen

Am heutigen Donnerstag, 4. August 2022, besuchten Klaus Holetschek, Bayerns Staatsminister für Gesundheit und Pflege, und Bernhard Seidenath, Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit und Pflege im Bayerischen Landtag, das Universitätsklinikum Erlangen, um sich in der Augenklinik (Direktor: Prof. Dr. Friedrich E. Kruse) über den aktuellen Stand der hiesigen ME/CFS-Forschung zu informieren.

PD Dr. Dr. Bettina Hohberger, Molekularmedizinerin und Ärztin an der Augenklinik des Uniklinikums Erlangen, und Dr. Martin Kräter vom Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts konnten den Politikern jetzt erste Erfolge ihrer Arbeit für Menschen mit ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) präsentieren: Die Erlanger Forschenden wiesen objektiv messbare Parallelen zwischen Long COVID und ME/CFS nach. „Konkret heißt das: Gemeinsam mit Dr. Gerd Wallukat, Mitarbeiter der Berlin Cures GmbH, haben wir bei ME/CFS-Erkrankten die funktionell aktiven GPCR-Autoantikörper M2-AAb und β2-AAb identifiziert – zwei Autoantikörper, die sich auch bei Long-COVID-Betroffenen finden“, erklärte Dr. Hohberger.

ME/CFS ist eine erworbene, schwere organische Multisystemerkrankung, die eine gravierende pathologische Erschöpfung (körperlich und mental) nach physischer oder geistiger Anstrengung zur Folge hat. „ME/CFS tritt häufig nach Virusinfektionen auf, zum Beispiel in Zusammenhang mit dem Epstein-Barr-Virus oder nach einer Influenza. Auch ein Teil der COVID-19-Erkrankten entwickelt ME/CFS – sozusagen als schwere Form von Long COVID“, sagte Bettina Hohberger. Dies ist ein Teil der Analogie zum Long-COVID-Syndrom, das durch das Virus SARS-CoV-2 verursacht wird. Bei beiden Erkrankungen sind keine konkreten organischen Defekte nachweisbar.

Jetzt gelang es den Erlanger Forschenden, bei Patientinnen und Patienten mit ME/CFS analog zu Long COVID zwei Autoantikörper, M2-AAb und β2-AAb, nachzuweisen. Des Weiteren fanden sie erste Hinweise auf Blutzellveränderungen, die Auswirkungen auf die Mikrozirkulation des Körpers haben könnten. Dies nahm Dr. Hohberger zum Anlass, ebenfalls in Analogie zu den Heilversuchen mit dem Aptamer BC 007 (Berlin Cures GmbH, Berlin), bei einer Patientin mit lange bekanntem ME/CFS ebenfalls einen Heilversuch mit BC 007 durchzuführen. Über viele Monate hinweg besserte sich nach eigener Aussage der Patientin ihre Symptomatik: Zuerst nahmen kognitive Beschwerden wie brain fog („Gehirnnebel“), Konzentrationsschwäche und eingeschränktes Kurzzeitgedächtnis ab, später ebenso Geräusch- und Lichtempfindlichkeit. Über mehrere Monate hinweg ließen auch Fatigue, Muskelschwäche und POTS nach – das Posturale orthostatische Tachykardiesyndrom, das bei ME/CFS-Betroffenen zu Herzrasen und Schwindel führt, sobald sie sich aufrichten. Angetrieben durch diesen ersten Erfolg möchten die Erlanger Forschenden bei einer größeren Patientenzahl mit ME/CFS sowohl die Diagnostik als auch den Therapieansatz überprüfen.

Großer Handlungsbedarf

Von ME/CFS sind in Deutschland schätzungsweise 250.000 Menschen betroffen – Tendenz steigend. „Vor allem junge Menschen zwischen 11 und 40 Jahren leiden unter der noch kaum verstandenen Krankheit. Wir möchten mit unserer Forschung alles daransetzen, den Betroffenen zu helfen. Und ich bin optimistisch, dass uns das gelingt, wenn Universitätsmedizin, Politik und Pharmaindustrie gemeinsam an einem Strang ziehen“, sagte Bettina Hohberger. „Bisher gibt es nur einen einzelnen vielversprechenden Heilversuch. Deshalb braucht es jetzt wissenschaftliche Untersuchungen, die viel mehr Patientinnen und Patienten einschließen. Aus diesem Grund möchten wir zusätzlich zu unserer Long-COVID-Forschung eine klinische Studie mit ME/CFS-Betroffenen realisieren, die uns erste Hinweise auf die Wirkmechanismen von BC 007 bei diesem Krankheitsbild liefern soll“, erläuterte Dr. Hohberger.

Bernhard Seidenath dankte den Forscherinnen und Forschern um Dr. Hohberger ausdrücklich: „Keine Krankheit schränkt die Lebensqualität derart ein wie das Chronische Fatigue-Syndrom ME/CFS. Die Forschungen auch und gerade des Universitätsklinikums Erlangen sind deshalb ein Lichtblick für alle ME/CFS-Betroffenen. Es ist uns ein gemeinsames Anliegen, die Krankheit bekannter zu machen, die Versorgung der Betroffenen zu verbessern und die Forschenden in Bayern besser zu vernetzen. Hierfür haben wir allein für dieses Jahr 1,6 Millionen Euro zusätzlich im Staatshaushalt bereitgestellt.“

Weitere Informationen:

Pressestelle des Uniklinikums Erlangen

presse(at)uk-erlangen.de

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