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Große Kleine – kleine Große

Große Kleine – kleine Große

Auffälligkeiten beim Wachstum von Kindern und Jugendlichen immer ärztlich abklären lassen – Deutsche Hormonwoche vom 12. bis 19.09.2020

So schnell wie im Mutterleib wachsen Menschen nie wieder in ihrem Leben: Innerhalb von neun Monaten entwickelt sich aus einer mikroskopisch kleinen befruchteten Eizelle ein etwa 50 cm langer Säugling. Auch im ersten Lebensjahr legen Babys noch einmal ordentlich zu und wachsen durchschnittlich 25 cm. „Wichtig ist das Wort ‚durchschnittlich‘, denn jeder Mensch ist einzigartig“, betont Prof. Dr. Joachim Wölfle, Direktor der Kinder- und Jugendklinik des Universitätsklinikums Erlangen und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie. Im Rahmen der Früherkennungsuntersuchungen – den sogenannten U-Untersuchungen – erfassen Pädiater regelmäßig die Körpergröße und prüfen, ob sie sich im Rahmen befindet. „Falls nicht, ist dies jedoch nicht zwingend ein Grund zur Beunruhigung“, betont Prof. Wölfle. „Abweichungen sollten allerdings immer ärztlich abgeklärt werden, denn Wachstumsstörungen können Anzeichen für ernste Erkrankungen sein.“

Wenige Zentimeter zu viel oder zu wenig helfen ggf. nicht nur dabei, eine Krankheit frühzeitig zu diagnostizieren, sondern sie im Idealfall sogar noch rechtzeitig heilen oder wenigstens abmildern zu können. Dank der erheblichen Fortschritte im Verständnis von Ursachen und Auslösern kindlicher Erkrankungen stehen den Kinder- und Jugendmedizinern heute deutlich mehr Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung als noch vor wenigen Jahren. Dazu beigetragen hat u. a. der rasante Fortschritt in der genetischen Diagnostik, mit deren Hilfe es den Wissenschaftlern möglich war, Krankheitsursachen zu identifizieren und zielgerichtete Therapien zu entwickeln.

Von Mangel- oder Fehlernährung bis hin zu schweren Herzerkrankungen

Etwa drei Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind tatsächlich klein- oder hochwüchsig. Die Ursachen sind vielfältig und nicht jede Abweichung von der Norm bedarf einer medizinischen Behandlung. „Oft handelt es sich um familiäre Veranlagung“, erläutert Prof. Wölfle. „Auffällig ist, dass deutlich weniger Groß- als Kleinwüchsige zum Arzt gehen. Dies mag damit zusammenhängen, dass Hochwuchs gesellschaftlich deutlich akzeptierter ist als Kleinwuchs.“ Doch auch eine überdurchschnittliche Körpergröße kann ein Indiz für eine mitunter schwere Erkrankung sein, beispielsweise das Marfan-Syndrom mit potenziell begleitenden Fehlbildungen des Herz-/Blutgefäßsystems. Unerkannt können solche Aneurysmen und Risse zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.

Bei Kindern und Jugendlichen, deren Wachstum und Entwicklung verzögert ablaufen, prüfen Pädiater zunächst, ob eine Mangel- oder Fehlernährung vorliegt. „Kleinwuchs ist möglicherweise aber auch ein Anzeichen für schweres Asthma, Mukoviszidose oder Herzinsuffizienz“, zählt Joachim Wölfle einige potenzielle Erkrankungen auf. „Stellen wir fest, dass ein Kind oder Jugendlicher nicht ‚der Norm‘ entsprechend wächst, suchen wir außerdem nach hormonbedingten Ursachen wie einer Unterfunktion der Schilddrüse, einem Mangel an Wachstumshormon oder -faktoren, einer Rachitis oder einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus.“ Wichtig ist dem Experten, zu betonen, dass sich das Vorgehen der Ärzte in den vergangenen Jahren verändert hat. „Zum einen haben wir dank der modernen Medizin ganz andere Möglichkeiten und können Betroffenen heute deutlich früher und besser helfen“, freut sich Prof. Wölfle. „Zum anderen hat die psychische Gesundheit an Bedeutung gewonnen. Kinder und Jugendliche, die unter einem erheblichen Leidensdruck stehen, erhalten inzwischen besser als früher Unterstützung. Und solche, bei denen weder eine Behandlungsindikation noch eine psychosoziale Belastung vorliegen, müssen natürlich nicht zwangsläufig therapiert werden.“

Deutsche Hormonwoche vom 12. bis 19.09.2020

Wachstumsstörungen bei Kindern und Jugendlichen sind eines der zahlreichen Themen, die im Rahmen der 5. Deutschen Hormonwoche der Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) behandelt werden. Vom 12. bis 19. September 2020 wird deutschlandweit zu Vor-Ort- und Online-Veranstaltungen eingeladen.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Joachim Wölfle
Telefon: 09131 85-33112
E-Mail: ki-direktion(at)uk-erlangen.de